Sinnige und sonstige Sprüche
Handorakelsammlung von Andus Emge, Köln 1996

 

Kultur & Natur:

Gefahr unsrer Kultur. - Wir gehören einer Zeit an, deren Kultur in Gefahr ist, an den Mitteln der Kultur zugrunde zu gehen. (Nietzsche)

Die freie Natur. - Wir sind so gerne in der freien Natur, weil diese keine Meinung über uns hat. (Nietzsche)


Falscher und echter Stolz. Sei auf keinen Vorzug stolz, der nicht dein eigener ist. Wenn ein Pferd in seinem Stolz sagen würde: "Ich bin schön", so wäre das noch erträglich. Wenn du aber mit Stolz sagst: "Ich habe ein schönes Pferd", dann wisse, daß du nur auf einen Vorzug eines Pferdes stolz bist. Was ist nun dein eigen? Der Gebrauch deiner Vorstellungen. Wenn du also beim Gebrauch deiner Vorstellungen dich in Übereinstimmung mit der Natur verhältst, dann sei stolz; denn dann wirst du auf einen Vorzug stolz sein, der wirklich dein eigen ist.
(Epiktet - Handbüchlein der Moral: 6)
 

Von dem, was Einer ist:

Jeder ist soviel, als er weiß. (Gracian)

Je mehr Einer an sich selber hat, desto weniger können Andere ihm sein. (Schopenhauer)

Singulas dies singulas vitas puta. (römisches)

Wenn ich mich nicht für mich einsetze - wer dann? (Mischna, Awot 1,14)

Aus der Kriegsschule des Lebens. - Was mich nicht umbringt, macht mich stärker. (Nietzsche)

Wir werden diese Welt genauso dumm und schlecht zurücklassen, wie wir sie bei unserer Ankunft vorgefunden haben. (Voltaire)

Was aus Liebe getan wird, geschieht immer jenseits von Gut und Böse. (Nietzsche)

Ebbe und Flut benutzen. - Man muß zum Zwecke der Erkenntnis jene innere Strömung zu benutzen wissen, welche uns zu einer Sache hinzieht, und wiederum jene, welche uns, nach einer Zeit, von der Sache fortzieht. (Nietzsche)

Die Zeit und ich nehmen es mit zwei andern auf. (Philipp der Zweite)

Es gibt keine echten Genüsse ohne echte Bedürfnisse. (Voltaire)

Vom Stundenzeiger des Lebens. - Das Leben besteht aus seltenen einzelnen Momenten von höchster Bedeutsamkeit und unzähligen vielen Intervallen, in denen uns bestenfalls die Schattenbilder jener Momente umschweben. Die Liebe, der Frühling, jede schöne Melodie, das Gebirge, der Mond, das Meer - alles redet nur einmal ganz zum Herzen: wenn es überhaupt je ganz zu Worte kommt. Denn viele Menschen haben jene Momente gar nicht und sind selber Intervalle und Pausen in der Symphonie des wirklichen Lebens. (Nietzsche)

Omnia mea mecum porto (Cicero)

Nulla dies sine linea. (römisches)

Unsre Eitelkeit ist gerade dann am schwersten zu verletzen, wenn eben unser Stolz verletzt wurde. (Nietzsche)

Wenn man sein Gewissen dressiert, so küßt es uns zugleich, indem es beißt. (Nietzsche)

Halte dich fern von der Lüge. (2.Mos.23,7)

Nicht alle Wahrheiten kann man sagen, die einen nicht unserer selbst wegen, die anderen nicht des anderen wegen. (Gracian)

Wenn Ihr durch die äußeren Sinne verstört, gequält und verwirrt seid, solltet Ihr Euren Geist ausruhen und die Stille in Eurem Inneren suchen. (Laotse)

Kunst, die Dinge ruhen zu lassen, um so mehr, je wütender die Wellen des öffentlichen oder häuslichen Lebens toben. - Eine Quelle wird durch eine kleine Störung getrübt und wird nicht, indem man dazutut, wieder helle, sondern indem man sie sich selber üerläßt. (Gracian)

Aber so sehr es uns kränkte, wir wollen es lassen geschehen sein und, so schwer es uns wird, den Unmut zähmen im Herzen. (Homer, Ilias)

Darum lebt tapfer und werft den Schicksalsschlägen tapfer die Brust entgegen. (Horaz)

Gleichgewicht der Freundschaft. - Manchmal kehrt, im Verhältnis von uns zu einem andern Menschen, das rechte Gleichgewicht der Freundschaft zurück, wenn wir in unsre eigne Waagschale einige Gran Unrecht legen. (Nietzsche)

Der gemeinste der Menschen ist, wer keine Entschuldigung annimmt, keine Sünde deckt und keine Fehler vergibt.(Arabisches Sprichwort)

If you want to get up, you sometimes have to go down again. (Zitat eines US Vietnamveterans beim Klettern in einer Felswand)

Beruf. - Ein Beruf ist das Rückrat des Lebens (Nietzsche)

Wert eines Berufs. - Ein Beruf macht gedankenlos; darin liegt sein größter Segen. Denn er ist eine Schutzwehr, hinter welche man sich, wenn Bedenken und Sorgen allgemeiner Art einen anfallen, erlaubtermaßen zurückziehen kann. (Nietzsche)
 

Von dem was Einer hat:

Eigene Meinungen. - Die erste Meinung, welche uns einfällt, wenn wir plötzlich über eine Sache befragt werden, ist gewöhnlich nicht unsere eigene, sondern nur die landläufige, unserer Kaste, Stellung, Abkunft zugehörige; die eigenen Meinungen schwimmen selten obenauf. (Nietzsche)

Schlechtes Gedächtnis. - Der Vorteil des schlechten Gedächtnisses ist, dass man dieselben guten Dinge mehrere Male zum erstenmal genießt. (Nietzsche)

Viele verlieren den Verstand nur deshalb nicht, weil sie keinen haben. (Gracian)

Jedermann hat gerade soviel Eitelkeit, als es ihm an Verstand fehlt. (Nietzsche)

Ruhm und Reichtum gleichen dem Seewasser. Je mehr man davon trinkt, desto durstiger wird man. (Schopenhauer)

Besitz und Reichtum sind nicht von übel, vorausgesetzt, daß man fähig ist, auch ohne sie zu leben. (Meister Eckhart)

Die Armut ist eine Erziehung und der Reichtum eine Versuchung. (Arabisches Sprichwort)

Tausend Diebe berauben keinen Nackten. (Arabisches Sprichwort)

Wer nichts hat besitzt alles. (Erich Kästner)
 

Glück im Unglück:

Das Glück ist keine leichte Sache: es ist schwer, es in uns selbst, und unmöglich es anderswo zu finden. (Chamfort)

Das Glück ist nur ein Traum - wirklich ist der Schmerz (Voltaire)

Das Glück gehört denen, die sich selber genügen. (Aristoteles)
 

Macht und Ohnmacht:

Es ist so bequem, unmündig zu sein. (Kant)

Sein Gewissen war rein. Er benutzte es nie. (Stanislaw Jerzy Lec)

Es ist leicht, einen leeren Kopf hoch zu tragen. (aus dem Libanon)

Aus einer Reihe von Nullen macht man leicht eine Kette. (Stanislaw Jerzy Lec)

Einige Führer erkennt man an den Köpfen, andere bloß an den Beinen ihrer Gefolgschaft. (C.A.Emge)

Es gibt nicht nur Nachtblindheit, sondern auch Machtblindheit. Je nach dem Grade der Macht sieht man weniger genau. (C.A. Emge)

Wem man die Füße küßt, dem müssen die Hände gebunden werden. (C.A.Emge)

Im Stome. - Starke Wasser reissen viel Gestein und Gestrüpp mit sich fort, starke Geister viel dumme und verworrene Köpfe. (Nietzsche)

Je mehr Verbote es gibt im Lande, desto ärmer wird das Volk. Je mehr Mittel zum Gewinn das Volk hat, desto mehr geraten Staaten und Familien in Verwirrung. (Laotse)

Welche Regierung die beste sei? Diejenige, die uns lehrt, uns selbst zu regieren. (Goethe)
 

Moralisches:

Das Christentum gab dem Eros Gift zu trinken: - es starb zwar nicht daran, aber entartete, zum Laster. (Nietzsche)

Des Tages erster Gedanke. - Das beste Mittel, jeden Tag gut zu beginnen, ist: beim Erwachen daran zu denken, ob man nicht wenigstens einem Menschen an diesem Tage eine Freude machen könne. Wenn dies als ein Ersatz für die religiöse Gewöhnung des Gebetes gelten dürfte, so hätten die Mitmenschen einen Vorteil bei dieser Änderung. (Nietzsche)

Hochmut kommt vor dem Fall (Volksweisheit)

Sicher vor dem Fall ist erst, was ganz am Boden ist. (Fu)
 

Paränesen:

Hüte dich, den Schaum für die Woge zu halten! (Martin. Kessel)

Spanne den Bogen bis aufs äusserste und du wirst wünschen, rechtzeitig Eingehalten zu haben. (Laotse)

Um an die Quelle zu kommen, muss man gegen den Strom schwimmen. (Stanislaw Jerzy Lec)

Je tiefer einer feststeckt, desto mehr muß er sich hin und her bewegen, um wieder frei zu kommen. (Erfahrungen eines Landroverbesitzers)

In Gefahr. - Man ist am meisten in Gefahr, überfahren zu werden, wenn man eben einem Wagen ausgewichen ist. (Nietzsche)

Lieber eine Kerze anzünden, als über die Finsternis klagen. (Chines. Sprichwort)

Auch wenn ich wüßte, dass morgen die Welt unterginge, so würd ich doch heute noch mein Apfelbäumchen pflanzen. (Martin Luther)

Ein Sturm ändert die Großwetterlage. (Fu)

Tausend junge Leute demonstrierten mit grossem Tam Tam gegen die Abholzung eines halben Dutzend alter Kastanienbäume. Hätte ein jeder von ihnen auch nur einen Kastaniensamen an geeigneter Stelle in den Boden gepflanzt! (Fu)

Heutzutage ist es große Mode, gegen etwas zu sein; aber sollte man sich nicht bisweilen auch mal wieder einmal für etwas einsetzen? (Fu)

Hast erzeugt Magenkrankheit. (Volksspruch)

Wo wird denn nicht mit Wasser gekocht? (Fu)
 

Östliches:

Dreissig Speichen kommen in der Nabe zusammen; Aus ihrem Nichtsein entsteht der Nutzen des Rades. Knete ein Gefäß aus Ton: Aus seinem Nichtsein entsteht der Nutzen des Gefässes. Grabe eine Höhle mit Fenstern und Türen aus dem Fels: Aus ihrem Nichtsein entsteht der Nutzen der Behausung. Darum bietet uns das Sein der Dinge wie auch das Nichtsein oft grossen Vorteil. (Laotse)

Eines ist immer dasselbe wie das andere, und beide sind niemals zu trennen. (Zenspruch)

Wir können nicht zweimal in denselben Fluß steigen. (Heraklit)

Zwei Schwerter: Wenn einer die Schärfe eine Muramasa-Schwertes erproben wollte, so hielt er dieses in fließendes Wasser und beobachtete, wie es sich gegen die abfallenden Blätter verhielt, die auf der Strömung herabschwammen. Und er sah, wie die Klinge jedes Blatt, das auf sie traf entzweischnitt. Hielt er dann ein Masamune-Schwert hinein, so fand er zu seiner Überraschung, dass die Blätter der Klinge auswichen! (Zen-Gleichnis)

Wer dem Wissen nachgeht, strebt danach Tag um Tag zu lernen. Wer dem Tao nachgeht, strebt danach, Tag um Tag zu verlieren. Durch ständiges Verlieren gelangt man zum Nichttun (Laissez faire), durch Nichttun wird alles getan. Wer die Welt erobert, tut das oft durch Nichttun. (Laotse)

Ursprung und Ende aller Tätigkeit ist eindeuting die Untätigkeit. (Fu)

Die Zeit und das Wasser verändern alles. (Leonardo da Vinci)

Rätsel: Mal straff, mal schlaff, mal aufgerollt, mal wieder gerade und dabei stets zu Diensten, wenngleich oft nur für den Augenblick. - Das Seil. (Fu)

Abend im Herbst. Auf einem dürren Ast hockt eine Krähe. (Basho)

Mal kommt die Kirschblüte früher, mal später im Jahr. Wer weiß das schon - ein erster Schmetterling. (Fu)

Alles zu seiner Zeit (Volksweisheit)

Oft fliesst das Wasser später wieder zusammen, auch wenn es zwischendurch ganz andere Wege geht. (Fu)

Je langsamer das Holz wächst, desto härter wird es. (Fu)

Mag auch das Brennholz vergehen, das Feuer bleibt dennoch erhalten, und niemand weiß, dass es ein Ende nähme. (Chuang-Tse)

Was wären die Berge, wenn es die Täler nicht gäbe? (Fu)

Wasser zerreibt Steine. (Hiob 14,19)

Der alte Teich. Ein Frosch springt hinein - das Geräusch des Wassers. (Basho)