Text erstmalig herausgegeben im Kölner Museums-Bulletin 1/1995, S. 28 - 36. - Andus Emge - 

Nach "Tausend und einer Nacht"

Die Orientalische Sammlung des Barons Max von Oppenheim 
im Rautenstrauch-Joest-Museum für Völkerkunde

Seit Mitte der achtziger Jahre wird im Rautenstrauch-Joest-Museum verstärkt am Aufbau einer wissenschaftlichen Sammlung zur Darstellung der Kultur der Völker und Minderheiten des Vorderen Orients gearbeitet. Ziel dieser Sammelaktivität war es, im Rahmen geplanter Neubauprojekte des Kölner Museums für Völkerkunde eine Dauerausstellung zu gestalten. Dem Rautenstrauch-Joest-Museum, welches das einzige Völkerkundemuseum Nordrhein-Westfalens ist, war es bisher aus Platzgründen leider nicht möglich, eine Schausammlung zu eröffnen.

In diesem Ausstellungsprojekt sollten sich zum einen die hier in Deutschland lebenden ethnischen Minderheiten aus dem Vorderen Orient repräsentiert finden, zum anderen aber auch das steigende kulturelle Interesse der deutschstämmigen Bevölkerung an dieser Region berücksichtigt werden.

Bereits in den letzten Jahren wurden im Rahmen von Sonderausstellungen des Rautenstrauch-Joest-Museums wie "Die Braut", "Männerbande-Männerbünde" oder "Pracht und Geheimnis" Aspekte der vorderorientalischen Kultur thematisiert, wobei zumeist ausgesuchte Objekte von privaten Leihgebern und anderen Häusern zur Geltung kamen.

Die in der jüngeren Zeit vom Rautenstauch-Joest-Museum erworbenen Sammlungsobjekte der behandelten Region stammen vor allem aus der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts und weisen im wesentlichen Textilien, Kleidung und Schmuck, kupfernes Küchengerät, Keramik, Teile von Bazareinrichtungen, Objekte zur Kultur des Badehauses (Hamam) sowie landwirtschaftliches Gerät auf. Rund 600 Objekte dieser im Aufbau befindlichen Sammlung sind inzwischen erfasst, doch konnten diese hauseigenen Konvulute bisher noch nicht als repräsentativ angesehen werden. In dem Sammlungsbestand fehlten vor allem auch Stücke aus der älteren Zeit, welche die stilistischen Entwicklungen der Künste im Kulturkreis des Osmanischen Reiches zwischen dem 14. und 19. Jahrhundert dokumentieren.
 

Max von Oppenheim

Der Orientforscher Max Freiherr von Oppenheim (1860-1946) lebte gegen Ende des letzten und zu Beginn dieses Jahrhunderts viele Jahre als preussischer Diplomat in Kairo und Istanbul, wo er aktiv an der internationalen Politik teilnahm und Forschungen zur Geschichte der arabischen Völker durchführte.

Er erfüllte sich damit einen Kindheitswunsch, den er seit der Schulzeit hegte: Er selbst bezeichnete es in seinen umfangreichen Erinnerungen als: " geradezu ausschlaggebend für mein Leben..., daß ich die Tausend und eine Nacht in der großen vierbändigen illustrierten Ausgabe von Weil, die ich schon in der Sekunda Weihnachten zum Geschenk erhielt, mit Begeisterung las und studierte. Hierdurch wurde in mir der Gedanke, Forschungsreisender, und zwar im islamischen Orient zu werden, immer mehr bestärkt, ein Gedanke, der mich nie verliess..."1 Aber zunächst studierte Max von Oppenheim entsprechend dem Wunsche seines Vaters nach einer seriösen Ausbildung und wenn er schon nicht der Familientradition des Bankhauses Sal. Oppenheim jr. & Cie. folgte, so immatrikulierte er doch erst einmal im Fache Jura. Nach seinem Referendariat in Köln wechselte Max von Oppenheim an das Regierungspräsidium in Wiesbaden. Von dort aus begleitete er im Winter 1883/84 seinen Onkel auf eine Reise in die osmanische Türkei, wo er nun erstmals den Orient kennen lernte, der ihn sofort ganz in seinen Bann schlug.

Nach seiner Rückkehr richtete sich Max von Oppenheim in seiner Wiesbadener Wohnung ein türkisches Zimmer ein. Im Jahre 1892 unternahm der Baron zusammen mit dem Mitbegründer des Rautenstrauch-Joest-Museums, dem Ethnographen Wilhelm Joest eine Forschungsreise von Marokko aus quer durch Nordafrika nach Kairo, wo er sieben Monate in einem traditionellen Haus in einem tief arabischen Viertel wohnte. "Hier lebte ich wie die einheimischen Mohammedaner, um mich in der arabischen Sprache weiterzubilden und den Geist des Islams sowie Sitten und Gebräuche der Eingeborenen zu studieren" (Abb.1)2. Als Kenner der orientalischen Bräuche fiel ihm das opulente Leben arabischer Prägung nicht weiter schwer: Der Junggeselle verfügte über eine "vortreffliche schwarze Köchin, die natürlich nur die Eingeborenen-Gerichte kannte", ein fünfzehnjähriges, bildhübsches arabisches Mädchen mit einem abbessinischem Einschlag als "Zeitfrau", sowie über eine spezielle "Bettdienerin". Dieses Ambiente gestaltete ihm das Leben so interessant, daß Oppenheim, wie er schreibt, "während der halbjährigen Zeit, in der ich in dem Hause zubrachte, im ganzen, wenn ich mich recht erinnere, etwa fünf Mal in das europäische Viertel gegangen bin"3).  1896 tritt Oppenheim, der zu den Dutzfreunden Kaiser Wilhelms II. zählte, in den diplomatischen Dienst ein und wird dem kaiserlichen Generalkonsulat in Ägypten zugeteilt, eine Tätigkeit, die er bis 1909 ausübte.

Damit begann sein eigentliches "Doppelleben" als "Araber" und als Mitglied der privilegierten diplomatischen Kreise. In seinen unpublizierten Memoiren schreibt er: "Ich setzte es durch, mit dem Sitz in Kairo den Auftrag zu erhalten, die ganze islamische Welt zu beobachten und hinterher an das Amt zu berichten. Dann begann, während 13 Jahren, wohl die Glanzzeit meines Lebens..."4 Die exotische Intimität seines Privatlebens konnte Max von Oppenheim während seiner Zeit in Kairo "absolut verborgen halten" und der "Harem" seines Hauses blieb seinen europäischen Gästen ebenso unbekannt wie die sagenumwobenen Frauengemächer der osmanischen Sultane.

Auf diversen mehr oder weniger ausgedehnten Forschungsreisen (Abb.2) suchte Oppenheim Kontakt zu lokalen Stammesführern, um sich über die politischen und sozialen Verhältnisse zu informieren. Besonderes Interesse galt bei seinen Forschungen daher auch den Beduinenstämmen. In ausführlicher Form dokumentiert Oppenheim, der die Stammessprachen fliessend spricht, gesellschaftliche Struktur und genealogischen Zusammenhänge, die von von ihm genauso in teils mehrbändigen Werken publiziert wurden, wie weitere Veröffentlichungen über Reiseeindrücke, soziopolitische Verhältnisse im Orient, sowie Teile seiner archäologischen Forschung 5).

Oppenheim war schon immer fasziniert von der Archäologie, welcher er vor allem nach 1899 durch einen schicksalhaften Zufall grössere Beachtung schenkte. Während einer Erkundungsreise im Rahmen der Streckenplanung der Bagdad-Bahn 6) entdeckt er nämlich den hethitischen Siedlungshügel Tell Halaf in Syrien, wo die älteste bekannte prähistorische Buntkeramik aus dem fünften und vierten Jahrtausend v. Chr. zu Tage kam. Besonders beindruckende Funde sind auch die Stelen und Steinfiguren, (die leider später im Krieg verbrannten). Max von Oppenheim sieht sich nun zunehmend als Archäologe und finanzierte, nachdem er vorläufig aus dem diplomatischen Dienst austritt aus eigenen Mitteln eine Grabung, die er 1913 nach zweieinhalbjähriger Dauer erst einmal abschloss. Erst nach den Wirren des Ersten Weltkriegs, starken persönlichen Finanzeinbussen in Folge der Währungsreform und dem Zusammenbruch des osmanischen Reiches konnten ab 1927 weitere Grabungskampagnen weitergeführt werden 7). Dort wird Oppenheim auch einmal von Aghata Christie besucht, die mit ihrem zweiten Mann, dem Archäologen Max Mallowan zu jener Zeit den Orient bereiste und u.a. folgendes in ihren "Erinnerungen an glückliche Tage" beschreibt: "Oft sprechen wir mit den Einheimischen auf den vielen Hügeln, die wir noch vor Tell Halaf aufsuchen. Hier gibt es überall Legenden um El Baron, meist handeln sie von dem Gold, das er mit vollen Händen ausschüttete. Mit der Zeit ist es zu Unsummen angewachsen. Nicht einmal der deutschen Regierung trauen wir diesen Goldsegen zu, von dem die Überlieferung berichtet." 8)  Die meisten auch dieser durch die Tell Halaf Grabungen gewonnenen wissenschaftlichen Ergebnisse legte Oppenheim in der Folgezeit als heute noch immer hoch geschätzte Publikationen vor 9).

Neben seinen diplomatischen und archäologischen Tätigkeiten widmete sich der Baron Zeit seines Lebens einer intensiven Sammlertätigkeit islamischen Kunsthandwerks. Oppenheim trug exemplarisch jene Stücke aus dem Vorderen Orient zusammen, die zu jener Zeit im Kunsthandel erhältlich waren.10)  Systematisch suchte er, wie weiter unten beschrieben, nach Stücken, die stellvertretend für bestimmte Gattungen und Epochen standen. Auch wurde seine Sammlung durch Geschenke lokaler Scheichs, die Oppenheim oft konsultierte ergänzt (Abb. 3).
 

Die Realiensammlung

Max von Oppenheim konzentrierte sich aber neben dem Sammeln von islamischem Kunsthandwerk aus den verschiedensten Regionen und Zeitepochen auch auf "Exportartikel", also Gegenstände, die nicht im Orient, sondern im hiesigem Fall vor allem in Europa (Meissn/Böhmen), aber auch in China und Fernost für den Geschmack des Vorderen Orients hergestellt, und speziell in diese Gebiete exportiert wurden.

Nach seinen Aufenthalten im Nahen Osten wurden die Stücke nach Berlin transportiert, wo sie von einem qualifizierten Mitarbeiterstab Max von Oppenheims im Rahmen der von ihm gegründeten "Max-Freiherr-von-Oppenheim-Stiftung" erstmalig inventarisiert und in einfachster Form beschrieben wurden. Wenngleich diese Objekte nicht, wie die Ausgrabungen aus der hethitischen Residenz am Siedlungshügel Tell Halaf, in einem eigens gegründeten Museum ausgestellt und somit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden, so dekorierten sie doch, wie die textbegleitenden Abbildungen zeigen, zum Großteil die Räume der "Max-Freiherr-von-Oppenheim-Stiftung" am Kurfürstendamm in Berlin, wo Max von Oppenheim auch sein Domizil hatte (Abb. 4,5,6). Während der großen Bombenangriffe zu Ende des Zweiten Weltkrieges wurden die Räume der Stiftung, wie auch das Tell Halaf Museum getroffen, wobei vieles, vor allem die archäologischen Bestände, aber auch die wertvollsten Stücke aus islamischer Zeit, zerstört oder später geplündert wurden. Nur dem engagierten Einsatz befreundeter Mitarbeiter der Stiftung (vor allem der Ehepaare Caskel, Erdmann u.a.) verdanken wir die Rettung der übrig gebliebenen Sammlungsstücke aus islamischer Zeit, die nun auf dem Umweg über das Orientalische Seminar der Universität zu Köln heute im Rautenstrauch-Joest-Museum für Völkerkunde wieder eine geeignete Unterbringung erfahren 11).

Die Sammlung, die als Dauerleihgabe dem Rautenstrauch-Joest-Museum zur Verfügung gestellt wurde, besteht aus ca. 1500 Objekten, die zumeist im Vorderen Orient von Max von Oppenheim Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts persönlich gesammelt wurden. Diese relativ frühe geschlossene Sammlung von Ethnograhica spiegelt somit auch einen Querschnitt des kunsthandwerklichen Angebotes auf den orientalischen Märkten der Jahrhundertwende und im Kunsthandel wider. Sie umfasst im wesentlichen qualitativ hochwertige Metallarbeiten unterschiedlichster Art und Epochen, wie z. B. mamlukische Teller und Gefäße aus dem 14. und 15. Jahrhundert (Abb. 8), silbertauschierte seldschukische und persische Leuchter, die teilweise aus dem anatolischen Konya zu Zeiten des Begründers des Ordens der tanzenden Derwische, Djalal od-Din Rumi aus dem 13. Jahrhundert stammen (Abb. 9,10). In der Sammlung Oppenheim findet sich daneben auch osmanisches Silber mit türkisch-barocker Ornamentierung aus dem 18. und 19. Jahrhundert (Abb. 11), sowie eine Anzahl vergoldeter Kupfergefäße, Tombak (Abb. 12), welche teilweise aus dem 16. Jahrhundert stammen. Als typische Merkmale der Sammelleidenschaft jener Zeit finden sich auch in der Sammlung Oppenheim diverse Schutz- und Trutzwaffen, die teilweise von höchster Güte sind. So gibt es neben alten türkisch/persischen Bögen eine Anzahl hochwertiger Klingen und Gewehrläufe aus edelstem Damaszenerstahl, aber auch sorgfältigst mit Gold tauschierte Helme und Schilde. Auch die Keramik stellt mit mehreren dutzend Objekten (zumeist chinesische Blauweißkeramik, persische Kacheln und Gefäße aus dem alten Kaschan des 13. Jahrhunderts, syrische Raqqa-Ware, sowie eine kleinere Anzahl von wertvoller türkischer Keramik aus den Produktionen von Iznik, Kütahya, Canakkale und Eseri-Istanbul) einen wichtigen Bestandteil der Sammlung. Zur Keramik der Sammlung gehören auch viele Gefäße aus hochwertigem Porzellan der Meißner Marcollini-Periode (1774-1813) sowie der Alt-Wiener Staatsmanufaktur entsprechender Zeit, welches, wie bereits oben erwähnt, speziell für den orientalischen Geschmack produziert und exportiert wurde (Abb. 13). Auch böhmisches Glas, welches im Vorderen Orient des 18. und 19. Jahrhunderts vor allem für Vasen und Wasserpfeifenbehälter beliebt war, wurde als Exportware produziert und ist in der Sammlung in einigen Beispielen vertreten. Aber auch im fernen China wurden Porzellan und Bronzen hergestellt, welches ausschließlich für den Fernexport in den Vorderen Orient bestimmt war (Abb. 14). Manche dieser Objekte wurden gar schon vor Ort mit arabischen Schriftzeichen versehen (Abb. 15). Daneben finden sich in der Sammlung Oppenheim aber auch verschiedene Musikinstrumente unterschiedlicher Güte, wie Lauten, Flöten, Trommeln und regional typische Saiteninstrumente. Ferner zählt zu dem Konvolut eine kleine Anzahl von Möbelstücken, wie Taburetts oder Schreibkabinette (Abb. 16), sowie Kästen und Truhen, wie bereits die alten Photographien von Oppenheims Wohnung am Kurfürsten Damm in Berlin dokumentieren.

Der hauseigene Schwerpunkt der orientalischen Abteilung des Rautenstrauch-Joest-Museums, die Textilien- und Kostümsammlung, wird durch die Sammlung Oppenheim ideal durch eine große Anzahl auserlesener Textilien und Kleidung ergänzt, die meist aus dem 18. und 19. Jahrhundert stammen. Neben einer großen Schmuck- und Utensiliensammlung finden sich in der Sammlung Oppenheim auch eine Anzahl von Gerätschaften, die bei der Religionsausübung eine besondere Rolle spielen wie z.B. Amulette, Koranbehälter (Abb. 17), Moscheelampen, Derwischspieße u.a.. Die zur Sammlung Oppenheim gehörigen Objekte umfassen daneben aber auch noch einige wenige archäologische Gegenstände, sowie ferner eine Anzahl von Gemälden, Schreibzeug, sowie die Überreste einer Bibliothek alter Bücher, die jedoch, wie weiter unten erläutert, nicht im Rautenstrauch-Joest-Museum lagern.

Wenngleich die Stücke islamischen Kunsthandwerks im Kölner Orientalischen Seminar unter fachkundiger Betreuung standen, erlaubten doch die dortigen lokalen Verhältnisse keine ordnungsgemässe Lagerung und auch keine eingehendere wissenschaftliche Bearbeitung. Lediglich der am Institut tätige Orientalist und Schriftenkenner Friedrich Kaltz beschäftigte sich in der Folgezeit etwas intensiver mit der Sammlung, legte einen einfachen numerisch geordneten Bestands- und Photokatalog der noch vorhandenen Stücke an und übersetzte diverse arabische Inschriften, die sich auf einigen der Objekte befinden.

Neben den islamisch-orientalischen Sammlungsgegenständen der Stiftung Oppenheim, die sich nun hier im Kölner Völkerkundemuseum befinden, verbleiben vertraglich geregelt vorläufig vor allem die Reste der Originalbibliothek von Oppenheim, sowie einige bedeutende Schriftstücke, wertvolles Schreibzeug (persische Schreibkästen), einige persische Ölgemälde aus kadjarischer Zeit (1774-1924) sowie Miniaturen im Orientalischen Seminar der Universität zu Köln.12)   Zudem wurden 1989 eine Anzahl archäologischer Objekte als Leihgabe an das Archäologische Institut der Universität zu Köln übergeben. 13)   Darüber hinaus befindet sich eine Fülle von unpublizierten Aufzeichnungen und Tagebuchnotizen, einige der veröffentlichten Werke, sowie Photoalben des Max Freiherrn von Oppenheim im Archiv des Bankhauses Sal. Oppenheim jr. & Cie. in Köln. Einige archäologische Stücke der Sammlung Oppenheim sind in Berlin verblieben und dort im Vorderasiatischen Museum ausgestellt, bzw. lagert, falls nicht verbrannt oder verschollen, in den Kellern des Pergamonmuseums auf der Museumsinsel.

Im Rautenstrauch-Joest-Museum für Völkerkunde werden nun alle anderen Stücke der Realiensammlung Max Freiherr von Oppenheims systematisch erfasst und mit Hilfe einer Datenbank zugänglich gemacht. So reichhaltig die Sammlung Oppenheim auch ist, so dürftig sind die Originalangaben über Zeitpunkt, Ort, und Kosten des Erwerbs, oder aber auch Hinweise zur Technik und kunsthistorischen Bestimmung der Objekte.14)   Auf Grund der Recherche im Oppenheim-Archiv des Bankhauses liessen sich jedoch in einigen Einzelfällen Hinweise auf Einkäufe, Tauschgeschäfte oder Geschenke finden. Auch werden dort unpublizierte Manuskripte Max von Oppenheims aufbewahrt, beispielsweise zur Kostümkunde im Vorderen Orient, deren Studium die Bearbeitung der Textiliensammlung im Haus erheblich erleichtert.

Aber auch ohne Originalangaben ist diese Sammlung von hohem Wert, stellt sie doch einerseits ein Spiegelbild des um die Jahrhundertwende im Vorderen Orient üblichen Kaufangebots dar, sowie andererseits persönlichen Geschmack und ästhetisches Empfinden im Stil der damaligen orientalischen Mode des Sammlers Max von Oppenheim.  15)

Das Abendland, und nicht zuletzt der Forscher Max von Oppenheim persönlich, blieben von diesen Einflüssen nicht unberührt, was sich auch in dem stark modisch tradiertem Orientalismus des 18. und ausgehenden 19. Jh. äusserte. 16)   So lebte auch Max von Oppenheim, wie bereits erwähnt, ein Großteil seines Lebens (sowohl im Orient, wie auch in Europa) in einer opulenten Einrichtung, die ganz dem orientalischen Geschmack verpflichtet war.17)

Wenngleich viele der künstlerisch und kunsthandwerklich herausragenden Objekte trotz umfangreicher, durch die Oppenheim-Stiftung gefährderter Restaurierungsmaßnahmen weit von einem Idealzustand entfernt sind, da sie zum Teil durch irreparable Kriegsschäden erheblich zerstört wurden, so stellt doch die wissenschaftliche Erschließung der Sammlung eine ausgeprochene Bereicherung der Sammlungsbestände im Rautenstrauch-Joest-Museum dar. Die schon aufgrund ihres Alters bedeutenderen Stücke geben der vorhandenen Sammlung historische Tiefe und erlauben damit auch Einsichten in den kulturellen Wandel, so daß die gesamte Sammlung mit den in den letzten Jahren im Ethnographica-Handel und im Nahen Osten erworbenen Objekten ein relativ repräsentatives Bild der vorderorientalischen Kultur ermöglicht.

Eine präzise wissenschaftliche Erschliessung dieser so umfangreichen, komplexen sowie zeitlich und räumlich so weit gestreckten Sammlung war und ist in dem vorhandenen kurzen Zeitraum der Bearbeitung von zwei Jahren nur in Ansätzen möglich. Glücklicherweise konnten dank umfangreicher Zuschüsse der Oppenheim-Stiftung 1993 und 1994 diverse bedeutendere Stücke der Sammlung der Restaurierung übergeben, sowie zusätzlich eine Anzahl wichtiger Publikationen und Sekundärliteratur zum Themenbereich der Sammlung erworben werden, die den lückenhaften Regionalbestand der Bibliothek des Rautenstrauch-Joest-Museums wesentlich verbesserte.

Ziel der Arbeit mit der Oppenheim-Sammlung ist es aber auch, in unbestimmter Zukunft eine Ausstellung mit dem Arbeitstitel "West-östlicher Divan" zu gestalten, in welcher die Realien des Max Freiherrn von Oppenheim im restauriertem Zustand entscheidend vertreten seien sollen. Im November 1996 jährt sich allerdings erst einmal der 50. Todestag des Barons von Oppenheim und wenn es die Umstände des vom Hochwasser verfolgten Rautenstrauch-Joest-Museums (glücklicheweise ist die Sammlung Oppenheim nicht betroffen) erlauben, dann soll zu diesem Jahrestag Oppenheims eine Kostprobe der bedeutendsten Stücke aus der Sammlung der Öffentlichkeit vorgesellt werden.

Und wenn schon nicht das von Max von Oppenheim so erträumte Tell-Halaf-Museum wie ein Phönix aus der Asche wieder aufersteht, so ist es doch zu wünschen, daß sich für das Rautenstrauch-Joest-Museum bald die Möglichkeit einer Dauerausstellung in einem neuen Gebäude ergibt, so daß endlich einmal auch die qualitative Vielfalt der orientalischen Sammlung des Hauses einem größerem Publikum würdevoll zur Schau gestellt werden kann. Inshallah!

Fußnoten:
1) Zitiert nach handschriftlichen Originalquellen in: W. Treue: Max von Oppenheim - Der Archäologe und die Politik, 1969
2) Vergl. M. v. Oppenheim: Die Beduinen, Band I, Harrassowitz Leipzig 1939., S. 3
3) Zitate aus den handschriftlichen Originalquellen.
4) Zitiert in: W. Treue: Max Freiherr von Oppenheim - Der Archäologe und die Politik. 1969, S. 49
5) Hauptveröffentlichungen von Max von Oppenheim: - 1899 - 1900: Vom Mittelmeer zum persischen Golf, durch den Hauran, die Syrische Wüste und Mesopotamine (2 Bände) - 1901: Bericht über die 1899 ausgeführten Forschungsreisen in die Asiatische Türkei - 1902: Rabeh und das Tschadseegebiet - 1905: Griechiche und lateinische Inschriften aus Syrien, Mesopotamien und Kleinasien (Mit Dr. H. Lucas) - 1908: Der Tell Halaf und die verschleierte Göttin- 1909 - 1911: Inschriften aus Syrien, Mesopotamien und Kleinasien - 1914: Zusammen mit v. Hiller: Edessa - 1919: Die Entwicklung der Machtverhältnisse in Inner- und Nordarabien - 1939 - 1967:Die Beduinen - 4 Bände zus. m. W. Caskel bei Harrassowitz in Leipzig/Wiesbaden herausgegeben.
6) Oppenheim bricht von Kairo über Damaskus mit einer Karawane zu einer sieben monatigen Reise auf, über die er in einem 1901 im 36. Band der Zeitschrift für Erdkunde veröffentlichten "Bericht über eine im Jahr 1899 ausgeführte Forschungsreise in der asiatischen Türkei" folgendes notiert: "Auf der ... Reise ... habe ich die Gebiete, welche demnächst von der Bagdad-Bahn durchzogen werden sollen, kennengelernt. ...Zu den Aufgaben einer wissenschaftlichen Reise in unbekannte Gebiete gehört ebensogut wie rein geographische, archäologische und andere Studien auch die Beobachtung der wissenschaftlichen Verh?ltnisse und Aussichten von Land und Leuten, und zwar unter Heranziehung der Geschichte jener Gegend." Vergl auch: Treue, W: Max von Oppenheim - Der Archäologe und die Politik; in Historische Zeitschrift, 1969 Heft 209/1 S. 37 ff)
7) Grabungen am Tell Half unter Oppenheim: 1911-13; 1927; 1929
8) in: Aghata Christie-Mallowan: Erinnerungen an glückliche Tage, Bergisch Gladbach 1946 / 1977.
9) Die wichtigsten Publikationen zur Archäologie des Tell Halaf: Max Freiherr von Oppenheim: Der Tell Halaf, eine neue Kultur im ältesten Mesopotamien, Leipzig, 1931(Vorpublikation); Führer durch das Tell Halaf-Museum, Berlin 1934. Endpublikation: Band 1. H. Schmidt, Die Prähistorische Keramik, 1943; Bd. 2. F. Langenegger, K. Müller, und R.Naumann, Die Bauwerke, 1950; Bd. 3 A. Moortgat, Die Bildwerke, 1955 und Band 4: B. Hrouda, Die Kleinfunde, 1962
10) Das Interesse für das Sammeln von Kunstobjekten wurde sicher ganz wesentlich durch seinen Vater Albert von Oppenheim (1834-1912) geweckt, der seinerzeit bereits ein begeisterter und auch bekannter Kunstsammler war. Dieser ergänzte die bereits von Salomon Oppenheim jr. aufgebaute Gemäldesammlung der Bankiersfamilie durch den gezielten Ankauf vor allem niederländischer und flämischer Meister wie Rembrandt, Franz Hals, Rubens und van Eyck und spezialisierte sich daneben auf Elfenbein und rheinisches Steinzeug, wobei er mit seiner Kollektion bald zu Weltruhm gelangte. [Vergl. dazu: Teichmann, G: Sal. Oppenheim jr. & Cie. - Geschichte einer Bank, Köln 1992, S. 52ff.]
11) Bei diesen Stücken handelt es sich nur um die Objekte aus islamischer Zeit. Alle archäologisch bedeutsamen Stücke lagern in den Kellern der Museumsinsel in Berlin (Funde und Bruchstücke vom Tell Halaf), oder befinden sich im Archäologischen Institut der Universität zu Köln. Ein Großteil der Sammlung Max v. Oppenheims, vor allem aber der archäologische mit den bedeutenden Funden vom Tell Halaf sind inclusive einer 40.000 Bände umfassenden Spezialbibliothek während des Zweiten Weltkrieges in Berlin verbrannt. Sinnvollerweise sollten einmal alle noch vorhandenen archäologisch relevanten Objekte in Berlin zusammengeführt werden, damit vielleicht einmal wirklich wieder "das Tell-Halaf Museum wie ein Phönix aus der Asche wiederaufersteht", wie Oppenheim in seinen letzten Lebensmonaten zu hoffen wagte. Vergl. U. Moortgat-Correns: M.Freiherr v. Oppenheim - Der Gründer des Tell Halaf-Museums in Berlin. Museums Journal 4/1989 S. 21
12) Hier wäre es sicher ratsam, längerfristig alle restlichen Objekte der Sammlung Oppenheim aus islamischer Zeit an einem Ort, sinnvollerweise dem Rautenstrauch-Joest-Museum zusammenzubringen.
13) Es handelt sich hier vor allem um Objekte, die im Schaukasten "Tell Halaf" ausgestellt sind, zudem um Terrakotten und Öllämpchen, sowie um Stücke aus dem alten Ägypten.
14) Im Oppeheimarchiv des Bankhauses findet sich unter der alten Bezeichnung "XXI/2" eine Akte mit einigen Ausführungen Max von Oppenheims zum Inventar seiner Kunstsammlung, die 1910 niedergeschrieben wurden, aber nur einen kleinen Teil der heutigen Realiensammlung betrifft.
15) Oppenheim war glücklicherweise wohlhabend genug, um sich seiner Sammelleidenschaft weitgehend ungehindert widmen zu können.
16) Vergl. dazu u.a. die Lit. von E. W. Said: Orientalism; New York,1978, sowie: S.Germaner und Z.Inankur: Orientalism and Turkey; The Turkish Cultural Service Foundation, Istanbul,1989
17) Auf den textbegleitenden Reproduktionen alter Photos seiner Wohnung in Berlin und Kairo (deren Vorlagen leider nur in minderer Qualität vorliegen) sind viele Stücke der Sammlung abgebildet, die sich heute im Rautenstrauch-Joest-Museum befinden.
 

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