Leseprobe:

II. Freiburger Molukkenexpedition:
Aus den Tagebüchern von Erwin Stresemann
Teil I. - Von Singapur nach Bali


#Kunsthistorische Eindr?cke aus Java; #Tagebuch aus Bali / #Frauen ; #M?nner ; #Urwald ; #Kaffee ;#Geld ; #Rinder ; #Hunde ; #Schweinetransport ; #Opium ; #Leichenverbrennung ; #Hahnenkampf ; #Der hypnotische Sangiantanz ; #Briefe an die Eltern

(6. November 1910 - 13. Januar 1911)
Man hatte uns aus Hamburg telegraphiert, da? unsere "Freiburg" am 27. Oktober an Deck eines Frachtdampfers der Hapag in Singapur eintreffen werde. Deshalb beendete ich meine Streifz?ge bei Tapah am 5. November und fuhr mit der Bahn zur?ck nach Singapur, um dort nach dem "Naturforscherschiff" auszuschauen, zwei Tage sp?ter folgten meine Gef?hrten. Da lag unser Boot wahrhaftig in einem kleinen Hafenbecken. Entz?ckt schrieb Deninger Mitte November nach Hause: "Der erste Anblick zeigte uns schon, da? der Schiffsrumpf au?erordentlich gef?llig geraten war, und je mehr wir uns das Boot von au?en und innen besahen, desto mehr gefiel es uns". Zu unserem Schreck hatte man es aber so unvorsichtig zu Wasser gelassen, da? sich die eine Au?enwand am Hapagdampfer gescheuert und daher an einigen Stellen ihren Anstrich eingeb??t hatte, der den aus vernieteten Stahlplatten gefertigten Rumpf vor dem Seewasser sch?tzen sollte. Es half nichts, der hellgraue Anstrich mu?te schleunigst in einem Trockendock erneuert werden. Eine solche Einrichtung gab es aber in Singapur nur f?r gro?e Ozeanschiffe, nicht f?r eine Nu?schale wie die unsrige. So kam es, da? uns diese Reparatur im Gro?dock, die in einem Tage geschehen war, nicht weniger als 3000 mexikanische Dollar (?ber 1500 Mark) kostete. Tauern, der alles ?bernommen hatte, was mit Technik zusammenhing, lie? sich dazu bereden, bei dieser Gelegenheit auch den hohen eisernen, unbeweglich angeschwei?ten Kiel der "Freiburg" abzumontieren, um die Gefahr eines Aufpralls auf Korallenriffe zu vermindern, und war in den folgenden Tagen unabl?ssig an Bord besch?ftigt. Auf einer Werft mu?te der Gro?mast montiert, in die Kaj?te mu?ten noch Schr?nke eingebaut werden. Auch vieles andere hatte noch zu geschehen. Aber am 13. November war alles schon so weit, da? wir in dem riesigen Hafenbecken eine Probefahrt machen konnten. Stolz umherblickend hatten wir schon ein paar Seemeilen glatt bew?ltigt, als pl?tzlich der Motor abstarb. Eine gro?e Barkasse der Hafenpolizei bemerkte bald unsere mi?liche Lage und schleppte die "Freiburg" wieder in unseren Pier zur?ck, wo ein herbeigerufener Werftingenieur die Ursache des Mi?geschicks gleich aufkl?rte. Tauern hatte unserem Motor ungereinigtes, schwarzes Erd?l eingefl??t, wozu ihn die Bezeichnung "Roh?l-Motor" verleitet hatte. Das war diesem aber sehr schlecht bekommen; er mu?te nun erst in tagelanger Monteurarbeit auseinander genommen und ges?ubert werden, bis er, mit einem viel teueren Destillationsprodukt gespeist, wieder auf vollen Touren lief. Diese Pannen gaben mir und Deninger reichlich Zeit zu einer Umschau in der Stadt und ihrer Umgebung.

Inzwischen hatten wir alles, was mitzunehmen war, in den Laderaum schaffen lassen; viele gro?e S?cke mit Reis oder mit Bohnen gef?llt, Weinflaschen, Zuckers?cke, ein Stapel Konservenb?chsen aus deutschen Heeresbest?nden, Kleiderkoffer aus starkem Blech, unsere Zeltplanen und H?ngematten, ein Haufen Baumwolldecken f?r die Tr?ger in den Molukken, die Gewehre, Buschmesser, Munitionskisten, Pulverkanister, schwere Fallen f?r Wild und gro?e V?gel, Netze, Tauschartikel, die kinemato- und photographische Ausr?stung, die Apotheke und was wir sonst noch f?r wichtig hielten. Vor dieser Fracht blieb gerade noch ein wenig Platz f?r die Unterkunft der drei Malayen, die wir f?r die weite Reise nach Buru durch Vermittlung unseres Hotelportiers gedungen hatten. Einer von ihnen hie? Siddin, er war ein ?lterer Mann, der schon Erfahrungen zur See hatte, denn er war einmal als Kohlentrimmer bis nach Liverpool gekommen; daher schien er uns sehr geeignet f?r die Aufgabe, die Segel zu bedienen. Auf Deck hatten wir zwei gro?e, schon benutzte Weinf?sser als Trinkwasserbeh?lter montiert, und zudem lag dort noch ein kleines Beiboot, worin im ?u?ersten Notfall 4 Mann h?tten sitzen k?nnen.

Am Nachmittag des 24. November waren wir startbereit. Eine Gruppe junger Deutscher, die wir in der Stadt kennen gelernt hatten, und viele Neugierige hatten sich am Pier versammelt. Wir hi?ten stolz am Heck die Fahne Schwarz-Wei?-Rot, Siddin l?ste die Haltetaue, Tauern warf mit voller Leibeskraft das gro?e schwere Schwungrad an, worauf der Motor gehorsam zu rattern begann, Deninger blies ein fr?hliches Reitersignal auf seiner Dragonertrompete - und die Freiburg "stach in See". Ein malizi?ser Skeptiker rief uns noch nach "Auf baldiges Wiedersehen" - aber dieses Vergn?gen haben wir ihm nicht bereitet.

Zun?chst ging alles nach Wunsch. Die Sonne versank im Meer, und ringsum sahen wir bald Leuchtfeuer strahlen und blinken, denn vor uns lag nun die Durian-Stra?e, bespickt mit Inselchen und Untiefen.

Es war eine vergn?gliche Aufgabe, diese Warn- und Richtungszeichen nach unserer ersten Seekarte zu bestimmen und dann den vorgeschriebenen Kurs zu steuern. Wir hatten solcher Seekarten eine Menge an Bord; an ihrer sicheren Hand h?tten wir bis nach Polynesien gelangen k?nnen. auch ein zweiter Helfer war zur Stelle, das dickleibige "Segelhandbuch f?r den Indischen Ozean", das dem Seemann unseres Schlages genaue Auskunft ?ber Meeresstr?mungen, Zeiten der Monsune und Kalmen, ?ber Ankergr?nde, H?fen und manches andere bis nach Australien hin erteilt.

Der Borddienst war streng geregelt. Jeder von uns Dreien hatte t?glich 6 Stunden lang dienst am Steuer und 18 Stunden frei, die er nach Gutd?nken ausf?llen durfte; diese Bestimmung betraf auch unsere drei Malayen, von denen einer die Segelkommandos auszuf?hren hatte und t?glich 6 Stunden lang auf Deck sein mu?te.

Unser Steuerrad stand hinter dem Gro?mast, daneben der gro?e Schiffskompa? und ein Kartentischlein, und ?ber alledem schwebte eine Petroleumlampe. Die Takelage war die eines Kutters, aber vereinfacht: nur Gro?segel (ohne Toppsegel) und ein am Bugspriet befestigtes Vorsegel. Der Bootsbauer mochte gemeint haben, da? diese Segelfl?che f?r ein Motorschiff durchaus gen?ge und nur gelegentlich zur Erh?hung der Fahrtgeschwindigkeit benutzt werden w?rde. So dachten wir auch.

Als es wieder hell geworden war, erblickten wir in der Ferne zu unserer Rechten die langgestreckte, flache Ostk?ste von Sumatra. Die ganze Nacht hindurch hatte der Motor tadellos funktioniert, und er tat es noch immer. Eine sanfte Brise begleitete uns. Da wir 6 Knoten fuhren, ?berholten wir bald drei chinesische Dschunken, die, h?chst malerisch mit drei rechteckigen Mattensegeln aufgetakelt, unseren Kurs fuhren, und winkten ihnen dabei sp?ttisch zu.

Aber Hochmut kommt vor dem Fall. Es war gegen 11 Uhr, da wurde pl?tzlich der Takt unseres Motors langsamer, und kaum war Tauern voller Schrecken in den Motorraum gesprungen, da blieb unser Herzst?ck stehen. Alle Anstrengungen, das gro?e Schwungrad mit vereinter Kraft zu bewegen, blieben erfolglos. Sein Achsenlager war gl?hend hei?, es war geschmolzen!

Da trieben wir nun hilflos in dem tr?ben Wasser! So weit wir auch in der Runde blickten, kein Land zu sehen. Unser Lot stie? in 15 m Tiefe auf Grund, und dabei zeigte sich, da? wir von einer starken Str?mung r?ckw?rts getrieben wurden. Dagegen half nur noch eins, den Anker werfen und bis zum Umschlagen der Tide warten, falls uns nicht ein g?nstiger Wind die Segel f?llen sollte. Diese hatten wir gleich nach dem Tode des Motors hoffnungsvoll gehi?t. Tauern gefiel es nun nicht, da? wir kein Kl?versegel hatten; als "Fachmann" riet er daher, vorn einen langen Kl?verbaum herauszustecken und an ihm das Vorsegel zu befestigen. Das geschah, indem wir einige Latten zusammenbanden, die im Laderaum nutzlos herumlagen.

Es war bei wolkenlosem Himmel auf Deck und unter Deck gluthei? geworden, und der sanfte Zephir, der die drei Dschunken zu unserer Besch?mung um Mittag an uns vor?bertrieb, brachte uns keine Erfrischung. Nach ein paar Stunden lie?en wir das Senkblei abermals hinab, und siehe da, die Str?mung war umgeschlagen! Wir lichteten rasch den Anker und lie?en uns nun s?dw?rts treiben, bis der Gegenstrom wieder einsetzte. So verfuhren wir zwei Tage und zwei N?chte lang. Mit dieser Taktik kamen wir immerhin ohne unser Zutun etwas vorw?rts. An den Mittagen stellte Tauern unsere Position mit dem Theodoliten fest. Wir befanden uns jetzt genau unter dem ?quator, aber zu einer ?berm?tigen ?quatortaufe waren wir gar nicht aufgelegt, obgleich es nicht leicht war, uns sonstwie die Zeit zu vertreiben. Ab und zu sangen unsere Boys malaiische Lieder; dann trieben auch wir Musik, indem wir die bespielten Walzen unseres Phonographen in Betrieb setzten und uns an den neuesten Berliner Schlagern berauschten, wie "Es war in Sch?neberg, im Monat Mai" oder "Da geh ich ins Maxim, da bin ich so intim". Oder einer sprang in die warme braune Br?he, die uns umgab, und prahlte mit seinen Tauchk?nsten, dabei immer die prickelnde Angst vor Haien im Nacken. Nachts suchten wir die Stellung der Gestirne uns einzupr?gen und die fremdartigen Sternbilder des S?dhimmels zu deuten. Ich sp?hte nach Getier aus, aber das lie? sich nur sehr sp?rlich blicken. Dann und wann erschien, die N?he von Land zeigend, ein Fregattvogel, der hoch droben seine weiten Kreise zog; auf treibendem Holz sah ich manchmal eine kleine Gruppe von Seeschwalben (Sterna sumatrana und Sterna bergii) rasten, und einmal umkreiste ein wei?b?uchiger Sturmtaucher unser Schiff. Oft warf ich die Angel aus, aber ?ber dem in geringer Tiefe ausgebreiteten Schlammboden bi? nur selten ein Fisch an. Aber wenn ich nachts die Lampe ?ber den Meeresspiegel hing, schwammen viele Fische mir unbekannter Arten herbei, und zuweilen n?herten sich tr?ge, gleichfalls durch das Licht angelockt, Loligo-?hnliche Tintenfische. Wenn wir langsam vor dem Winde dahinsegelten, glitten wir dann und wann an einer Seeschlange vor?ber, die sich in der prallen Sonne unbeweglich von der Str?mung treiben lie?, den Leib in lose Windungen gelegt. Aber allemal, wenn ich den K?scher an sie heranf?hrte, tauchten die Schlangen blitzschnell in die Tiefe. Sie waren am ganzen K?rper schwarz und gelbbraun geringelt und geh?rten wahrscheinlich zu der sehr giftigen Art Hydrophis pictus.

Wir waren l?ngst in einen flachen Meeresteil geraten, den die Dampfer umfuhren; nur ein einziges Mal sahen wir eine Rauchfahne ?ber dem fernen Horizont. Endlich, am 27. November, kam Land in Sicht. Zur Linken lugte die Spitze eines Bergkegels aus dem Meer. Wir hatten uns der Insel Singkep gen?hert! Und in der folgenden Nacht trieb uns die Str?mung im Bunde mit einer sanften Brise ganz in die N?he dreier kleiner Inseln, der Allang Tia (0.30'S, 104?E). Jetzt konnte unser Beiboot in Aktion treten. Mit Deninger ruderte ich f?r einige Stunden zur n?rdlichsten Insel hin?ber. Wir fanden sie unbewohnt und auf kristallinem Gestein ganz mit unber?hrtem Urwald bedeckt, in dem uns pr?chtige Pandanaceen und der Reichtum an gro?en B?umen voller Wildfr?chte auffielen. Hier gab es fruchtfressende Tauben in Menge, gr?ne Treron, schneewei?e schwarzfl?glige Myrlicivora biist und vor allem die pr?chtig schillernde M?hnentaube, Caloenas nicobarica. Aber Wasser fanden wir nicht. Nicht besser trafen es damit Deninger und Tauern, die am n?chsten Tage dort danach suchten. Denn nach Wasser verlangte es uns sehr. Auf Deck in alten F?ssern verwahrt, war unser Vorrat in der Sonnenglut nach wenigen Tagen faulig geworden und taugte kaum noch zum Reiskochen. Unseren Durst l?schten wir daher fast nur noch mit einem Schluck Rotwein.

An diesem 28. November hatte ich "Steuerdienst" von Sonnenuntergang bis Mitternacht. Eine kr?ftige Brise war aufgekommen und hatte uns eine Weile gut vorangebracht. Aber bei Anbruch der Nacht wurde es wieder ganz windstill und dabei so schw?l, da? mir im leichten Pyjama der Schwei? aus allen Poren rann. Dort, wo Sumatra liegen mu?te, wetterleuchtete es schon. Die glitzernden Sterne erloschen, es wurde schnell stockfinster, ringsum fuhren grelleuchtende Blitze mit ohrenbet?ubendem Donnerget?se ins Meer, und mit Schrecken sah ich ?ber die spiegelglatte See einen langen Streifen wei?en Schaums heranrasen. Im n?chsten Augenblick gab es einen scharfen Ruck, beinahe w?re die Freiburg gekentert, vorn krachte es, und im Nu tanzte das Schifflein mit wild flatterndem Gro?segel auf sch?umenden Wogen, die von der Wut des Orkans bald ?ber das Deck gepeitscht wurden und sich immer h?her t?rmten. Um nicht ?ber Bord gesp?lt zu werden, warf ich mich nieder und klammerte mich mit H?nden und F??en an das, was ich in der Finsternis ertastete. Im Schutz des Gro?mastes machte ich eine Atempause; dann kroch ich auf dem Bauche nach vorn, denn was hatte wohl der Krach bedeutet? Ein naher Blitz zeigte mir, da? da schon Deninger und Tauern herumkrochen. Sie schrien mir zu: "Der Kl?verbaum ist zersplittert und hat das Segel mitgenommen, es h?ngt aber noch drau?en am Schiff".

Bisher hatte es nur in schweren Tropfen geregnet, nun aber ergo? sich ?ber uns ein Wolkenbruch, der allm?hlich die Gewalt des Orkans brach und die tobende See bes?nftigte. Nach einer Weile gelang es uns, das Kl?versegel mit seiner Schott aus den hochgehenden Wogen zu fischen. Mehr konnten wir vorl?ufig nicht tun. Auch mit dem Segeln war's also nun vorbei! In tiefer Resignation zogen wir uns in die Kabine zur?ck, warfen die triefend nassen Pyjamas in eine Ecke und legten uns alle Drei wortlos aufs Ohr.

Vor Morgengrauen erwachten wir wieder. Wohin mochte uns der Sturm, von dem nichts mehr zu sp?ren war, wohl getrieben haben? Nun wu?ten wir gar nicht mehr, wo wir waren, und hatten kein genie?bares Trinkwasser mehr! Aber oh Wunder: als es hell wurde, sahen wir nicht weit uns eine kleine, dicht bewaldete Insel! Waren wir gerettet? Die Meeresstr?mung schob uns noch etwas n?her heran; dann warfen wir den Anker, und wie schon vor den Alang-Tiga entschied das Los, wer an Bord bleiben und wer im Beiboot an Land gehen sollte. Deninger wurde es, der mit mir dieser Insel der Verhei?ung entgegenruderte. als wir n?her kamen, ?ffnete sich vor unseren staunenden Augen eine kleine Bucht, und an ihrem Grunde sahen wir ein Boot liegen. Die Insel war also bewohnt! Sodann erblickten wir eine breite schnurgerade Lichtung in einem Hain von Kokospalmen, die auf ein Haus zuf?hrte. Man hatte uns schon bemerkt, und nun str?mte die ganze Einwohnerschaft des Eilands an den Strand: drei M?nner und zwei Frauen!

Der erste, der uns willkommen hie?, als wir an Land gesprungen waren, war das Familienoberhaupt, ein freundlicher Araber, der sich hier auf einer Rodung des ?ppigen Urwaldes eine Kokosnu?planzung angelegt hatte. Von ihm erfuhren wir alsbald, da? dies die Insel Serak sei (0?40'S, 104?15'E), 8 Seemeilen von Singkep entfernt. Rasch kam eine lebhafte Unterhaltung in Flu?, denn f?r ihn und die Seinen war diese Begegnung ebenso sensationell wie f?r uns. Nur alle sechs Monate, wenn ein kleiner Dampfer kam, um die Kopra abzuholen, hatten diese Leutchen bisher jahrelang eine fl?chtige Verbindung mit der Welt gehabt. Wir erz?hlten, warum wir gekommen seien: Wasser brauchten wir, und ein schlankes gerades Baumst?mmchen f?r das Segel. Ja, Zisternenwasser habe er in F?lle, und solche B?umchen g?be es hier genug; sein gro?er Sohn werde uns bald eines herbeischaffen. Wir wurden sogar zum Essen eingeladen! ?ber alledem vergingen rasch die Stunden; wir mu?ten nun vor Dunkelwerden zur?ck zur Freiburg. Unsere Freunde baten, sich allesamt unser Schiff ansehen zu d?rfen und an Bord Medizin f?r den einen von ihnen zu empfangen, der sich vor einigen Tagen mit dem Haumesser eine tiefe, nun schlimm eiternde Wunde ins Bein geschlagen hatte. So ruderten denn zu Tauerns Verbl?ffung statt eines zwei Boote heran; im Schlepptau des fremden Nachen unser neuer Kl?verbaum und drinnen das uns reichlich gespendete "k?stliche Na?". Dar?ber wurde es Nacht, eine sternenklare, wonnige Nacht. Wir zeigten unseren staunenden G?sten all unsere Attraktionen und lie?en sie unbekannte Gen?sse kosten, wovon ihnen keiner so gefiel wie "P?ppchen, du bist mein Augenstern", von unserem Phonographen aus dem gro?en gr?nen Trichter gekr?ht und auf Verlangen des Publikums wohl 5 mal wiederholt.

Beseeligt ruderte unser Auditorium um Mitternacht wieder heim, wir aber befestigten den sch?nen neuen Kl?verbaum, hi?ten beide Segel und ?berlie?en uns einem freundlichen Windgott.

Am folgenden Tage, dem 1. Dezember, glitt nicht allzu weit von uns ein Passagierdampfer in Richtung Singapore vor?ber. Wir ?berlegten kurz, ob wir die Notflagge aufziehen sollten, damit er uns mitnehme, aber unser Stolz bezwang die Versuchung. Diese h?mische Freude sollte den Schwarzsehern von Behn, Meyer & Co. nicht beschieden werden!

Die Sonne versank, nun war es wieder einmal an mir, bis zur Mitternacht am Steuer auszuharren. Bevor mich Tauern abl?ste, sah es am Himmel ganz so aus, als werde sich das Drama vom 28. November bald wiederholen, und beim Wachtwechsel entschl?pfte mir der fromme Wunsch "Viel Vergn?gen". Richtig, bald schreckte mich beim Einschlafen ein j?her Sto?, ein lauter Krach und dann ein wildes Schaukeln der Freiburg auf. Wieder ein Orkan, und unser sch?ner frischer Kl?verbaum durchgeknickt. Entsetzlich! Zum zweiten Male w?rde uns die Gl?cksg?ttin nach der Katastrophe schwerlich die Hand reichen.

Aber sie tat es. Als es Morgen ward, lag da vor uns abermals eine Insel, sehr klein, flach und voll hohen Buschwerks; aus ihm ragten, wie uns das Fernglas zeigte, einige h?here B?umchen, die zu einem Kl?verbaum taugen mochten. Also warfen wir den Anker, er haftete in 10 m Tiefe im schlammigen Grund. Wieder war es Tauen, den das Los dazu verurteilte, an Bord der "Freiburg" zu bleiben, Deninger und ich sprangen ins Beiboot. Wir mu?ten uns diesmal kr?ftig in die Riemen legen, denn ein starker Wind blies uns entgegen. Als wir endlich anlegten, war das ein Inselchen, ganz mit Korallengrus bedeckt. Hinter einer breiten, ganz sp?rlich bewachsenen, gl?hend hei?en Sandzone struppiges, stacheliges Geb?sch, durch das wir uns m?hsam zw?ngen mu?ten, bevor wir endlich ein ziemlich gerades St?mmchen entdeckt hatten. Wir schlugen es mit unserer Axt f?r den Wassertransport zurecht, schleiften diese Stange durch das verfilzte Strauchwerk und banden sie hinten ans Beiboot. Das war um die Mittagsstunde, und die Hitze war unertr?glich geworden. Als wir losruderten, merkten wir gleich, da? wir trotz aller Anstrengung nur ganz langsam voran kamen, denn das Boot wurde gebremst durch das nachschleifende St?mmchen. Obendrein hatte sich der Wind um 180? gedreht und war wieder unser Feind geworden. Dann gewahrten wir etwas noch viel Schlimmeres: Die "Freiburg" trieb ins Meer hinaus, immer weiter, immer weiter! Endlich stand sie wieder still, doch von unserem Inselchen fast zweimal so weit entfernt wie am Morgen. Das ?rgste kam aber noch. Auf halber Strecke brach die Malaria, die ich mir in Perak zugezogen hatte, pl?tzlich mit aller Gewalt wieder aus. Der Sch?ttelfrost packte mich, mir schwanden die Sinne, die Ruder entglitten meinen H?nden, und schon lag ich bewu?tlos im Boot.

Als ich die Augen wieder aufschlug, war die Sonne untergegangen. Unser Bo?tchen lag an der Seite seines "Mutterschiffs"! Mit verbissener Energie hatte es Deninger ganz allein bis hierher geschafft, denn es ging ja auf Tod und Leben. Nun aber wars auch mit ihm aus. Unsere Malayen mu?ten uns aufs Deck heben, denn hinaufklettern konnten wir beide nicht mehr; und dann lagen wir da eine Weile wie leblos.

Als wir uns wieder aufgerafft hatten, gestand uns Tauern, was geschehen war. Sobald er bemerkt hatte, da? wir von dem Eiland abstie?en und der Wind dorthin blies, hatte er den Anker eingezogen in der Meinung, die "Freiburg" werde uns nun zugetrieben werden. Da das aber keineswegs so war und die Entfernung wuchs, hatte er rasch wieder ankern wollen; der Anker aber schleifte eine lange Strecke im schlammigen Grund, bevor er endlich fa?te.

Nun, auch das war wieder einmal gut gegangen, und nun konnten wir wieder segeln. Von einem kr?ftigen R?ckenwind geschoben, machten wir den ganzen n?chsten Tag eine gute Fahrt. So ging das auch in der Nacht zu unserer Freude fort. Endlich war also der best?ndige Monsun gekommen, auf den wir, allen Prophezeiungen unseres "Segelhandbuches" zum Trotz, so lange hatten warten m?ssen. Aber auch er hatte seine T?cken!

Wieder einmal war es jetzt an mir, die halbe Nacht hindurch das Schiff nach dem Kompa? zu steuern. Nach einer Weile drehte der Wind ein wenig und wollte das eng angezogene Gro?segel von hinten oder gar von der anderen Seite packen. Ich schrie also nach achtern, wo Siddin das Segel bediente "Buka layar" (La? das Segel frei)! Nichts erfolgte. Ich gab das Kommando zum zweiten Mal, denn das Gro?segel begann schon zu flattern. Nichts geschah. Da lie? ich das Steuerrad los und wollte nach hinten eilen, um dort nach Siddin zu schauen. Doch ich kam nicht weit; auf halbem Wege sah ich die wei?e Wand des Gro?segels gespenstisch auf mich zukommen; abwehrend streckte ich ihr beide H?nde entgegen, aber die Gaffel gab mir einen kr?ftigen Schlag vor die Brust und warf mich r?cklings ?ber die ganz niedrige Bordwand ins Meer. In meinem Todesschreck habe ich dabei wohl mit den Beinen gezappelt, denn der eine Fu? verfing sich von au?en im Gest?nge der Reling, w?hrend ich schon mit Kopf und Rumpf durch die Wogen geschleift wurde.

Mein Gymnasialturnlehrer hat mir im Halbjahreszeugnis allemal eine 4 zugemessen, aber das h?tte ihn gewi? gereut, wenn er den akrobatischen Kunstst?cken zugeschaut h?tte, die ich in dieser peinlichen Situation folgen lie?; ich brachte es fertig, nun auch den anderen Fu? unter die Reling zu schieben und mich dicht an den Schiffsrumpf zu ziehen, dann packte ich die Bordkante mit beiden H?nden, griff auf die Relingstange ?ber und warf mich mit einem kr?ftigen R?ck auf und ?ber sie. Da stand ich nun, mit einem trockenen Pyjamabein, ansonsten aber ganz "mariniert", und sauste gleich in die Kabine, weckte meine Kameraden auf tiefem Schlaf und verwies fr?hlich auf meine Toilette mit der kausalen Erkl?rung: "Ich komme n?mlich gerade aus dem Meer"!

Dann mu?te ich mich aber pflichtgem?? wieder ums Schiff k?mmern. Achtern sah ich etwas gl?hen: Das war Siddings Zigarette. "Siddin, wo warst Du?" herrschte ich ihn an. "Oh Herr, ich habe immer hier gesessen". - "Du l?gst" - "Nein, ich habe mir nur einmal die Zigarette im Laderaum angez?ndet".

Also wars diese Zigarette gewesen, die mich ums Haar das Leben gekostet h?tte. Die "Freiburg" machte mit gewendetem Segel wieder eine flotte Fahrt, und ehe mein Verschwinden bemerkt worden w?re, h?tten mich wohl schon l?ngst die Haie verspeist.

Die n?chste Nacht bescherte uns abermals ein gef?hrliches Abenteuer. Wir hielten genau Kurs auf den Hafen von Muntok, dem Hauptplatz der Insel Banka, den wir nach unseren Berechnungen am kommenden Vormittag erreichen w?rden, wenn der Wind uns g?nstig blieb.

Unter dem gestirnten Firmament tauchte pl?tzlich vor uns ein gr?nes und gleich daneben ein rotes Licht auf; das waren die Mastlichter eines Dampfers, der nun mit gro?er Geschwindigkeit auf uns zukam. Um ihm auszuweichen, versuchten wir seitab zu kreuzen - aber vergebens, die Freiburg, kiellos und mit einem falsch angebrachten Vorsegel, vermochte nur stur geradeaus zu fahren! Immer h?her wuchsen unterdessen erst die Aufbauten, dann auch der Rumpf eines gro?en Passagierdampfers aus der Nacht, genau auf uns zu, als wolle er uns rammen. Voller Schrecken ergriff ich die Bordlampe und schwenkte sie hin und her. Deninger holte eilends seine Trompete aus der Kabine und schmetterte grelle Warnschreie; aber keiner bemerkte das! Die hohe, hell beleuchtete Kommandobr?cke war leer! Niemand rechnete dort offenbar damit, in diesem Fahrwasser einem unauff?lligen Hindernis zu begegnen. Aber w?hrend wir schon glaubten, nun habe unser letztes St?ndlein geschlagen, verschoben sich urpl?tzlich das rote und das gr?ne Licht mit gro?er Schnelligkeit. Im letzten Augenblick hatte uns ein Steuermann bemerkt, und der Ozeanriese, hell leuchtend aus vielen Fenstern und Bullaugen, rauschte majest?tisch ganz dicht an uns vorbei. Dann entschwand der Spuk unseren Blicken so rasch wie er erschienen war.

Wir atmeten tief auf: Noch einmal waren wir davongekommen! Als wir am n?chsten Morgen, dem 5. Dezember, vor uns die gro?e Insel Banka sichteten, blies uns der Wind aus vollen Backen in das weit ausgelegte Segel, lustig flatterte am Heck unsere sch?ne Reichsflagge, und mit einer Geschwindigkeit, die alle unsere bisherigen Rekorde ?berbot, flogen wir die K?ste entlang, unserem n?chsten Ziel zu, Muntok, Sitz des holl?ndischen Residenten von Banka und Billiton. Das Hafenbecken war von sehr hohen Kaimauern eingefa?t. Dort lagen zwei Frachtdampfer; wir gesellten uns ihnen zu und legten sauber am Fu? der Kaimauer an. Aber schon kam der Hafenmeister in voller Dienstuniform herbeigeeilt, fragte uns von hoch oben herab nach Name und Art und verlangte unsere Schiffspapiere. Schiffspapiere? So etwas hatten wir nicht! Da wies er uns barsch aus dem Hafen, als seien wir Piraten. Uns aber konnte er nicht einsch?chtern. Wir forderten ebenso barsch, mit dem Residenten telephonieren zu k?nnen. Kaum hatte dieser vernommen, wer wir waren, kam alles "terecht". In alle Windrichtungen, und so auch nach Banka, war n?mlich aus Singapore schon vor Tagen telegraphiert worden, die Freiburg sei auf der Fahrt nach Java verschollen, man m?ge nach ihr suchen lassen!

Sehr erleichtert durch unseren Anruf lie? uns der Resident sogleich in seinem Auto abholen. Was wir ihm dann von unseren Abenteuern der letzten 11 Tage erz?hlten, machte ihm so viel Spa?, da? er uns gern jeden Gefallen tat. Er lie? von der Marinewerft einen Ingenieur kommen, der sich unseren Schaden besah und gleich erkl?rte, die Reparatur werde nur 3 Tage dauern. So geschah es wirklich, ohne da? es uns einen einzigen Gulden kostete. Aber die Freundlichkeit des Residenten gingen noch weiter: Wir wurden gastlich bewirtet und von seinem Chauffeur im Regierungsauto zu den ber?hmten Zinnminen gefahren, weit und breit die einzige Attraktion. Nach all dem ?berstandenen Ungemach f?hlten wir uns auf Banka so gut umsorgt wie der edle Dulder Odysseus auf der Insel der Phaeaken.

Nach herzlichem Abschied von unseren guten Helfern ratterten wir mit dem geheilten Motor am 10. Dezember wieder in See und nahmen Kurs auf Batavia (Pjakastan, wo wir nach 42 Stunden anlangten, diesmal ganz ohne ein sensationelles Intermezzo. Hier verlie?en uns zwei unserer Malayen; die durchlebten Abenteuer hatten ihnen reichlich gelangt. Nur Siddin, der "Seefahrer", blieb uns unersch?tterlich treu. Zun?chst stellten wir uns dem Generalgouverneur, Herrn van Idenburg vor, der sich schon ?ber unsere Vergangenheit und unser Vorhaben genau hatte unterrichten lassen und uns mit Empfehlungsschreiben an die Residenten von Amboina und Ternate ausstattete. Dann besuchten wir Buitenzorg, wo mich das Zoologische Museum, von einem unwissenden Major a.D. geleitet, bitterlich entt?uschte. Aber trotz aller lockenden Pracht der Umgebung mochten wir uns, vom Zeitplan gedr?ngt, hier nicht lange aufhalten, wollten wir doch m?glichst schon um Neujahr in Buru sein.

Am 15. Dezember stie?en wir von der Kaimauer des kleinen romantischen Fischereihafens ab. Unser n?chstes Ziel war Surabaya, 700 km entfernt, wo wir gedachten, unseren Motor von der Firma "Soerabajasche Maschinenhandel" gr?ndlich durchsehen zu lassen, denn die gef?hrlichste Strecke stand uns dort noch bevor. Bis wir nach 72 Stunden die Reede von Surabaya sichteten, lief alles wie am Schn?rchen. Ein guter Wind f?llte uns Tag und Nacht die Segel, und der Motor bockte niemals, doch mu?ten die Lager von Tauern dauernd mit Seewasser gek?hlt werden, da sie sich hei? zu laufen drohten. F?r Deninger und mich, die sich daher in einem 6-Stunden-Turnus in den "Dienst am Steuer" teilten, geh?rte diese Fahrt unweit der Nordk?ste von Java zu den grandiosesten Erlebnissen. In langer Reihe tauchten die gigantischen Vulkankegel vor uns auf, und ehe einer dem bewundernden Blick entschwunden war, erhob sich schon der n?chste, von einem Ring wei?er Wolken umgeben. Um die erhabene Sch?nheit dieses Landschaftsbildes so recht zu erfassen, mu? man es, so wie wir, vor allem in den fr?hesten Tagesstunden angestaunt haben, wenn diese ungeheueren Pyramiden noch blauschwarz vor dem fahlgelben Morgenhimmel stehen, bis nach einer Weile ihre Spitze, vom ersten Sonnenstrahl getroffen, zu leuchten beginnt.

Auf der weiten Reede von Surabaya sichteten wir am Nachmittag des 18. Dezember schon von weitem eine Anzahl gro?er Dampfer, und bald umgab uns ein Gewimmel von Fischerbooten, die unter Segel vom Fang heimkehrten und geraden Kurs auf ihr Hafenbecken nahmen. Die Seekarte belehrte uns, da? gr??ere Schiffe eine st?ndig ausgebaggerte Fahrtrinne einhalten m?ssen, die in weitem Bogen nach dem Hafen f?hrte. Im Vertrauen auf unseren geringen Tiefgang glaubten wir, diesen Umweg vermeiden zu k?nnen und schlossen uns den Fischerbooten an. Das h?tten wir nicht tun sollen! Denn es dauerte nicht lange, da bemerkten wir, da? wir trotz laufendem Motor in der tr?ben Flut nicht mehr vom Fleck kamen. Unser stolzes Schifflein hatte sich in den schlammigen Grund eingebohrt und steckte schon so tief in der z?hen grauen Masse, da? uns der R?ckw?rtsgang der Schiffsschraube nicht mehr daraus befreien konnte. Nur mit Brachialgewalt gelang es uns nach hei?er M?he, dieser versteckten Falle r?ckw?rts zu entschl?pfen, nachdem wir alles an Bord zusammengesucht hatten, was sich zum Absto?en eignen mochte. Unser Vorwitz brachte uns um zwei kostbare Stunden, denn wir mu?ten nun doch noch den durch Bojen abgesteckten Halbkreis einschlagen.

In der Stadt stiegen wir in einem Hotel ab, denn die "Freiburg" sollte ja in Reparatur gehen. Der Motor wurde dort tagelang nach allen Richtungen hin gepr?ft, und als die Firma behauptet hatte, nun sei alles wieder gut, wurde eine Probefahrt auf dem die Stadt durchstr?menden Flu?, dem Kali Mas, vereinbart, an dem wir und die verantwortlichen Ingenieure teilnahmen. Diese Gelegenheit benutzte das Ungl?cksboot, uns einen lustigen Streich zu spielen. Der durch ein Wehr gestaute Flu? f?hrte am linken Ufer in eine Schleuse, die uns zur n?chsten Stufe herabsenken sollte; aber als wir uns dieser Stelle auf etwa 200 m gen?hert hatten, blieb der t?ckische Motor stehen und die nun nicht mehr steuerbare Freiburg wurde von dem ?bervollen Flu? nicht in die M?ndung der Schleuse, sondern genau auf das Wehr getrieben, wo seine tr?ben Wasser sich in drei Meter hoher Kaskade in die Tiefe st?rzten. Um ein Haar h?tten wir diesen Luftsprung mitmachen m?ssen, aber gl?cklicherweise war ein starkes Tau zur Hand, das wir der uns neugierig am Ufer begleitenden Volksmenge zuwerfen konnten. Es war wieder einmal gut gegangen!

Aber nun mu?te die Freiburg abermals ins Dock gehen, und unsere ?de Wartezeit in der Schw?le dieser reizlosen Stadt nahm ihren Fortgang. Das schlug mir zum Heil aus, denn ich durchlitt um Neujahr einen Malariaanfall, verbunden mit starker, ?u?erst schmerzhafter Leberschwellung. Der deutsche Arzt, der gleich herbeieilte, stellte fest, da? ich einer t?dlichen, durch Plasmodien verursachten Leberruptur mit knapper Not entgangen sei, und verordnete mir arsenhaltige Pillen als Zusatz zur Chininprophylaxe. Das hat mich vor weiteren bedrohlichen Anf?llen dieser Art f?r die Dauer bewahrt.


Kunsthistorische Eindr?cke aus Java

(Aus einem Brief Stresemanns an seine Schwester vom 1.1.1911)
(...) Es ist mir jedes Mal ein gro?er Genu?, durch Markt und Stra?en zu spazieren und die farbenpr?chtigen Trachten zu sehen. Die gebatikten Zeichnungen bringen mich manchmal ganz aus dem H?uschen. Ganz javanische Eigenart sind vor allem - ja wie soll ich sagen - die Flammenmotive; Du wirst sie auf einem f?r Grein bestimmten Kopftuch sehen, auf der nahen Insel Madura wird alles feuerrot und gelb gezeichnet, es wirkt sehr wild, fast diabolisch, die Leute sind unersch?pflich in geschickter Variation desselben Motivs. Es hat im allgemeinen jedes Dorf, in dem gebatikt wird, seine eigenen Farben, deren Herstellung meist geheim gehalten wird und seine eigenen Motive. Die Javaner verstehen es gleichfalls meisterhaft, Menschen, Tiere und Blumen zu stilisieren. Wir haben ein ganz fabelhaftes Wundertier-Gewand: die Augen stehen nat?rlich wie im Maler Klecksel auf einer Seite. Und dann solltest Du mal die holz- und elfenbeingeschnitzten G?tterbilder sehen! Es ist erstaunlich, welches Gewicht die Javaner auf Farben legen; tr?gt einer unserer Boys einen rotgezeichneten Sarong, so setzt er ein rotumrahmtes K?ppchen dazu auf, zum Sarong in blau geh?rt ein blauumrahmtes. Die Leute geben sehr viel darauf, schick auszusehen. Ja, in den St?dten sollen sogar die Batikbetriebe der Mode unterworfen sein.

In der Bearbeitung des Kupfers entwickeln die Javaner l?ngst nicht soviel k?nstlerischen Sinn. Meist wird alles mit stilisierten Pflanzen und Menschengestalten derart ?bers?ht, da? kein glattes Fleckchen ?brig bleibt und man nirgends den ordnenden Gedanken erkennen kann. Das kleine N?pfchen, das ich schicke, ist eines der wenigen Ausnahmen, vielleicht auf einer der Nachbarinseln gefertigt; hoffentlich gef?llt Dirs, Du solltest es eigentlich erst am 23. Februar sehen, ich denke mir Veilchen darin. - Das sch?nste was ich bisher gesehen und gekauft habe, bringt Elsa mit; es ist eine ziselierte kleine Silberplatte. Du wirst starr sein wir ich, wenn Du sie siehst, (ich meine die Silberplatte; ?ber Elsas pl?tzliches Erscheinen war ich allerdings auch starr)

4. Januar

Elsa sagte: Alle wahrhaft k?nstlerischen St?cke besitzen keinen Nationalcharakter. Man sieht ihnen nicht an, ob sie in Europa oder in China, in Java oder Japan oder Indien erdacht sind. Und sie zeigte mir eine Anzahl Sachen aus allen diesen L?ndern, die ebenso gut 1910 in den Werkst?tten der Handwerkskunst h?tten entworfen sein k?nnen.

Es ist doch sonderbar, dachte ich, sollte unsere deutsche Kunst von heute die sich in den einfachen selbstverst?ndlichen "ungek?nstelten" Linien und Formen gef?llt - Formen in engster Beziehung zur Funktion - wirklich das ?ber den Zeitgeschmack sich erhebende Ideal der Kunst erreicht haben? Sollten wir jetzt wirklich die "Kunst an sich" besitzen? Die Tatsache, da? die sch?nsten Ergebnisse fremder Kulturen ganz in den Rahmen unserer heutigen Kunst sich einf?gten, sprach ja daf?r, und Elsa war auch dieser Meinung. Oder - sollten uns diese St?cke eben nur deshalb so gefallen, weil wir durch unsere heutige Kunstrichtung beeinflu?t sind? Ein Blick auf die Geschichte unserer Kunst h?tte uns ja belehren k?nnen, da? alle Kunstepochen von sich annahmen, da? Ideal, das nicht ?bertreffliche erreicht zu haben; aber h?tte sie auch wie wir, heute die treffliche St?tze ihres Gr??enwahns finden k?nnen, da? auch andere Kulturkreise unabh?ngig von ihnen ganz dieselben Formen erdachten und als sch?n empfanden?

Da brauchte ich nun nicht lange zu suchen: ich sah zum Beispiel einen in Elfenbein geschnitzten Krisgriff, eine G?tterfigur darstellend, der aufs Peinlichste genau alle Ornamentformen des Rokoko aufwies, jeder Zuhause h?tte es f?r unzweifelhafte Rokokoarbeit oder Rokokonachahmung gehalten, aber von Nachahmung kann weder hier noch in den F?llen "moderne Ornamentik", die ich im Auge habe, die Rede sein. Viele Batikmuster, besonders die Stilisierung von Tieren und Pflanzen und ihre Gruppierung zum Gesamtornament erinnert in ganz erstaunlichem Ma?e an byzanthinische Kunst, innerjavanische Silbergef??e, denen nie ein europ?isches Vorbild Pate gestanden hat, tragen echte Empireornamente. Es lassen sich freilich an all diesen St?cken unverkennbare javanische Motive entdecken, aber das sieht man erst nach einiger Erfahrung (in den Erzeugnissen der neuesten Zeit machen sich manchmal europ?ische Einfl?sse deutlich bemerkbar, insbesondere in Blumenmustern, deren Auffassung und Stilisierung sich dann deutlich von der javanischen abhebt; im allgemeinen aber ist die Wahrung des Traditionellen erstaunlich gro?. Besonders interessant in dieser Hinsicht war mir ein erst in der neueren Zeit gezeichnetes Tuch, das Meermotiv behandelnd mit Schiffen, Meertieren und Meerpflanzen; die Schiffe wurden durch den stilisierten Typ des portugiesischen und holl?ndischen Kauffahrtsschiffes aus dem 17. Jahrhundert dargestellt.

Das einzige Gemeinsame, das alle Batiksachen (f?r Schnitzereien und Ziselierung ist es anders) zusammenh?lt, ist die Herstellungstechnik, nicht die Ornamentik; wie ich schon bemerkte, tragen die Motive in jeder Gegend einen selbst?ndigen Charakter.

Als ich frisch nach Java kam und noch fast nichts derartiges gesehen hatte, war es ganz nat?rlich, da? ich an einem dieser Typen sofort ein besonderes Wohlgefallen fand (man kann sich ja auch nicht gleichzeitig gleichm??ig f?r Barock und Empire begeistern), und ebenso nat?rlich da? meine Wahl stark nach dem Geschmack des heutigen deutschen Kunstgewerbes ausfiel.

6. Januar

Aber schon nach einigen Tagen wurde ich dieser strengen Muster m?de; mir gingen auf einmal Augen und Verst?ndnis auf f?r krause, wirre verschlungene Linien, wilde leuchtende Farben; fr?her war ich durch den anderen Stil gefangen, blind, fast ablehnend daran vor?bergegangen. Meine Vorliebe f?r bestimmte Farbkompositionen, Linien, Gruppierungen ?nderte sich, da ich sehr viel sah, fast von Tag zu Tag; ich lernte das Sch?ne zu entdecken, in dem was mir erst roh und widersinnig schien. Es ist dies eine gro?e Kunst - Lebenskunst - sich hineindenken zu k?nnen in fremde Empfindungen, in allem selbst dem ungewohntesten und unerwartetsten, den leitenden Gedanken zu entdecken, so weit dem Objekte ?berhaupt ein solcher zugrunde liegt; anders ist es kein Kunstwerk. Dann wird Deine Welt voll von Sch?nheit, die sonst f?r Dich tot - nicht geboren w?re. Eine Lebenskunst, die in gleicher Weise gilt, f?r das Auffassen des k?nstlerisch geformten Gedankens (Bildwerk und Schriftwerk) wie f?r das Verst?ndnis fremder Menschen (es ist dies ja im Grund eins). Ich glaube, gerade dem selbstschaffenden K?nstler, und auch Dir, geht diese "Tugend" sehr oft ab; er, der sich mehr als andere eine eigene Auffassung der Dinge herangebildet hat, verschlie?t sich mehr als nur Kritisierende dem Verst?ndnis fremder Anschauungen. Es kommt mir dies oft vor wie eine Furcht von seinem Wege abgeleitet zu werden.

Mir war diese rasche Variation dieses rasche Weiterentwickeln des Geschmacks sehr interessant; es war wie eine kurze Rekapitulation der Empfindungen, die die Menschheit w?hrend der gesamten Kunstgeschichte geleitet hatten; wir Naturwissenschaftler w?rden dabei ans biogenetische Grundgesetz denken.

In diesen Tagen ist etwas ganz Neues bei mir hinzugetreten; mit der Vorliebe f?r das Bizarre verbinde ich jetzt eine Schw?rmerei f?r das Lebende im Kunstwerk. Du verstehst mich: ich meine nicht das "Lebendige", das man durch Farben und Formen zu erzielen sucht: das "allerwildeste" kann f?r mich tot sein, wenn es mit der korrekt arbeitenden Druckmaschine oder Gu?form hervorgebracht wurde. Ich verstehe darunter vielmehr den Zauber der von den Spuren der arbeitenden Hand ausgeht, ein Kultus des Unkorrekten. Kein Wunder, da? ich gerade auf Java diese Empfindungen weiterentwickelte, wo so vieles noch Handarbeit ist, was bei uns l?ngst die tote Maschine ?bernommen hat; voran die Ornamentierung des Tuches. Du wei?t, wie das die Javaner machen: ein St?ck Tuch wird mit Wachs abgedeckt und nur die Stellen freigelassen, die man f?rben will; darauf wird alles in einen Farbstoff getaucht; will man mehrere Farben erzielen, so wird an anderen Stellen das Wachs entfernt, die alten Stellen werden wieder bedeckt wenn man nicht Mischfarben erhalten will. Dies geschieht nat?rlich alles mit der Hand. Die St?cke, die ich Euch bisher schickte, sind nun nicht vollst?ndig Handwerk insofern, als eine auf die eben beschriebene Weise hergestellte Wachsschablone mehrmals (viermal und mehr) auf dem selben Tuch angewendet wurde. Die selbe Schablone kann f?r eine Anzahl weiterer T?cher verwendet werden: es ist also Fabrikbetrieb. Nun gibt es aber auch St?cke, die ganz ohne Schablone gearbeitet, also echtes Handwerk sind; solche St?cke, ja meist auch ihre Ornamentik sind also unika. Hier empfindet man in tausend Unregelm??igkeiten die Arbeit des K?nstlers und das wirkt lebend und erfrischend wie die Arbeit selbst. Ich besitze einen Sarong mit G?tterfiguren: die sollen sich nach gewissen Unterbrechungen wiederholen, aber in Wahrheit sind sie einander doch so un?hnlich geraten wie der Max dem Moritz. Bei dem einen Gott hat der gute Meister da das linke Bein vergessen! Und dann all das k?stlich Naive, das gerade in diesen Unikas besonders stark hervortritt: bei Mensch und Tier fast stets zwei Augen auf einer Seite, die vier F??e nat?rlich alle voreinander, die V?gel mit Archaeopteryx-Schw?nzen, die gleiche pr?chtige Unkorrektheit tritt in Schnitzereien und Ziselierungen hervor.

(Ende des Briefes an die Schwester)
 

Mittlerweile hatte "Soerabajasche Maschinenhandel" durch Berechnungen festgestellt, warum unser Motor sich so oft ?berhitzt hatte. Bei beladenem Schiff war die Schraube zu gro? f?r den Motor. Aber bis zur Herstellung oder Lieferung einer passenden Schraube wollte Deninger nicht warten. So riskierten wir denn die Weiterfahrt mit dem alten ?bel.

Der Expeditionsleiter hatte beschlossen, neben dem bew?hrten Siddin einen Trupp Javaner auf der Freiburg nach Buru zu bef?rdern, wo uns diese Leute zu allerhand Verrichtungen dienen sollten. Mit der Anwerbung wurde unser Hotelportier beauftragt, und alsbald meldete sich ein bunter Haufen von Javanern und Maduresen, von denen 11 Mann ausgew?hlt wurden. Nun mu?ten auch diese "Fahrg?ste" mitsamt ihrem f?r 14 Tage berechneten Reiseproviant im engen Laderaum verstaut werden. Einer von ihnen bat einen Tag vor der Abfahrt um einen Vorschu? und kehrte abends mit einem ganz jungen M?del zur?ck, das er mit Hilfe dieser kleinen Summe nach islamischem Ritus geheiratet hatte. Auch diese Neuerwerbung wurde nun noch an Bord genommen, wenn auch recht widerwillig, und verschwand sch?chtern da drunten zwischen den Reiss?cken.

Am 8. Januar 1911 fuhren wir endlich davon, unserem n?chsten Ziel entgegen. Das sollte irgend ein kleiner Ort an der Nordk?ste von Lombok sein, wo wir Wasser einnehmen wollten, denn der Inhalt unserer Beh?lter reichte f?r 15 (jetzt 16!) Menschen nur 3 oder 4 Tage lang. Zum gleichen Zweck wollten wir danach an der Nordk?ste von Flores anlegen und weiterhin ?ber Kalao Tua und die Tukang-Besi-Inseln zur Ortschaft Tifu auf Buru steuern. So unser k?hner Plan. Ein freundliches Geschick hat ihn stark abgewandelt.

Schon in der zweiten Nacht gabs eine Tragikom?die. Mitten in der Stra?e von Madura erreichte uns ein Gewittersturm, der die Wogen aufpeitschte, bis die "Freiburg" stark zu schlingern begann. Das versetzte unsere "Jongens" in Angst und Schrecken, denn die Mehrzahl hatte noch niemals das feste Land verlassen. Einige, darunter auch die Neuverm?hlte, wurden so seekrank, da? sie w?hnten sterben zu m?ssen und uns beschworen, schleunigst umzukehren. Wir vertr?steten sie auf die n?chste Landung und haben dort ihre dringende Bitte sehr gern erf?llt.

In der Morgend?mmerung des 11. Januar umfuhren wir, meist nahe der K?ste bleibend, das Nordost-Kap von Java, hinter dem der gewaltige "W?chterberg" , der Gumung-Raun, in drohender Majest?t bis zu 3300 m aufragt. Dann querten wir die n?rdliche Ausm?ndung der Bali-Stra?e. Von der rei?enden Str?mung befl?gelt, schie?t gerade ein holl?ndisches Kanonenboot pfeilgeschwind hervor, und wir sind tief gekr?nkt, als es unseren Flaggengru? nicht erwidert. Vor uns erhebt sich nun lockend das Gebirge von Bali. Mich ergreift ein hei?es Sehnen nach diesen hohen Gipfeln, hatte mir doch Ernst Hartert in einem Briefe, der mich noch in Neapel erreichte, einen Aufenthalt auf Bali dringend empfohlen, weil die Fauna gerade dieser Insel noch sehr ungen?gend erforscht sei. Doch zur Landung fehlt uns die Zeit; wir m?ssen, so erkl?rt mir Deninger, nach so vielen Verz?gerungen unser Programm unbedingt streng einhalten und wollen noch heute in Lombok sein. Mit ihrer seit Surabaya erreichten Geschwindigkeit von st?ndlich 6 Seemeilen gleitet also unser Schiff unbeirrt nicht weit von der verlockenden K?ste nach Osten.

Es ist nun Mittag geworden. Auf einmal wird der Takt unseres Motors langsamer und langsamer. Entsetzt springt Tauern in den Motorraum - zu sp?t: dort unten ist's ganz still geworden. Unser "Maschinist" steckt gleich wieder den struppigen Kopf heraus und meldet mit Grabesstimme: "Das Schwungrad l??t sich nicht mehr bewegen!" Schon dreht sich das Gro?segel langsam in die Windrichtung, und tr?ge wiegt sich das Naturforscherschiff auf der sanften D?nung. So treiben wir dahin, bis es dunkelt.

Odo Deodatus will, wie vordem, zu kleiner Nachtmusik seinen Phonographen hervorziehen, aber wir anderen winken ab, das S??e P?ppchen und s?mtliche Damen vom Maxim h?ngen uns nun schon zum Halse heraus. Zur Hebung der Stimmung f?llt uns etwas Wirksameres ein: Wir greifen zu unserem K?stlichsten, der Konservenb?chse mit der Aufschrift "Frankfurter W?rstchen mit Sauerkraut", und schmausen mit Wonne. Ich glaube, wir haben dann an diesem Abend sogar etwas gelacht!


Bali

Es bleibt die ganze Nacht fast windstill. Wir haben das Segel weit hinausgelassen, aber die Gro?schot h?ngt schlapp im Wasser. Am Morgen stellen wir fest, da? uns die Str?mung weit nach S?den versetzt und n?her an die K?ste von Bali bef?rdert hat, wogegen wir doch gehofft hatten, sie werde uns nach Osten zur Reede des balinesischen K?stenortes Buleleng geleiten. Da das Kreuzen mit diesem Fahrzeug unm?glich ist, lassen wir uns vom Lufthauch gem?chlich bis an den Strand treiben und werfen dort gegen Mittag irgendwo den Anker. Hohes Buschwerk versperrt uns den Ausblick. W?hrend die anderen damit besch?ftigt sind, das Schiff festzumachen, springe ich an Land und zw?nge mich neugierig durch den gr?nen Vorhang. Da h?re ich Getrappel von Pferdehufen; auf wohlgepflegter mit r?tlichem Kies bedeckter Fahrstra?e kommt ein Dogcart daher, kutschiert von einem malerisch gekleideten Mann. Das also ist das wilde, unbekannte Bali meiner z?gellosen Phantasie, die mir hinter jedem Busch einen Tiger oder einen feindselig lauernden Eingeborenen vorgegaukelt hatte!

Bald kamen auch einige M?nner und Frauen des Weges. Sie sind im Begriff, von der Feldarbeit in den nassen Reisfeldern heimzukehren, und starren mich verbl?fft an. Ich versuche es mit meinem Malayisch, aber keiner versteht den Sinn, und was sie sagen, begreife ich ebenso wenig. Da nehmen sie mich kurzerhand unter fr?hlichem Lachen in ihre Mitte und geleiten mich zu einer Gruppe strohgedeckter Lehmh?uschen. In einem davon wohnt der Dorfschulze, der Kapala kampong. Der versteht Malayisch. Ihm erkl?re ich unsere ?ble Lage, worauf er zu meiner Verbl?ffung an einen Telephonapparat tritt und das Regierungsb?ro in Singaradja von der "Strandung" unseres Schiffes verst?ndigt.

Meine Gef?hrten, die in gro?er Sorge auf mich gewartet hatten, k?nnen die holde M?r ihres Kundschafters kaum fassen. Nun h?lt mich aber nichts mehr an Bord zur?ck; noch am gleichen Nachmittag gehe ich auf die Vogeljagd und n?here mich dabei dem Urwald, der den "Pik von Bulelang" ?berzieht.

Der Eindruck von Landschaft, Bev?lkerung und Tierwelt hatte mich derma?en ?berw?ltigt, da? ich schon am n?chsten Morgen mit Zweien unserer Javaner dorthin aufbrach, wo ich gestern umgekehrt war. Wir erreichten in l?hmender Hitze nach dreist?ndigem Anstieg durch Reisfelder und Maisanpflanzungen den Waldrand, hielten uns dort des l?ngeren mit der Vogeljagd auf und kehrten recht ersch?pft um. Drum waren wir sehr froh, als uns unterwegs einige malayisch sprechende Feldarbeiter zu ihrem Picknick einluden: es gab junge Maiskolben, am offenen Feuer ger?stet und dazu erfrischendes Kokoswasser. Obendrein boten sie mir einen 8 Monate alten Wasserb?ffel f?r 3 Reichstaler (= 7 1/2 Gulden) an, aber leider mu?te ich diese g?nstige Offerte ausschlagen, denn unsere Gastgeber hatten die Gr??e und den Komfort des Schiffes, von dem ich ihnen erz?hlt hatte, entschieden ?bersch?tzt. Dann sagten sie mir ganz nebenbei, dieses Schiff liege gar nicht mehr an seiner alten Stelle, sondern sei vom Regierungsdampfer "Spitz" nach Bulelang abgeschleppt worden. Bis dahin war es noch reichlich weit. Autos, die den Reisenden heute in gro?er Zahl auf gepflegten Stra?en nach allen Richtungen geschwind bef?rdern, gab es damals auf Bali nicht, und fahrbare Stra?en bestanden nur in der Ebene. Auf ihnen konnte man sich, wie auf Java, im "Sado" bef?rdern lassen, einem leichten zweir?drigen, dem englischen Dogcart nachgebildeten Gef?hrt, bespannt mit einem jener kleinen fahlbraunen Pferdchen, wie sie vor allem auf der Insel Sumba gez?chtet werden. Diese Pferdchen dienen ansonsten zum Lastentransport oder zum Reiten auf beschwerlichen Bergpfaden.

Einen solchen Sado lie?en wir also herbeiholen und langten in der Nacht am neuen Ankerplatz der "Freiburg" an.

(14. Januar - 16. April 1911)

Unser Schiff schwamm dicht am flachen Strand von Buleleng, denn einen gesch?tzten Hafen gibt es dort nicht. Ich fand Deninger bei ?bler Laune; auf dieser vulkanischen Insel war ja ein Palaeontologe und Stratigraph ganz fehl am Platze. Tauern aber, der V?lkerkundler, und ich freuten uns insgeheim ?ber diese erzwungene Unterbrechung der Reise. Wir gedachten sie f?r unsere Zwecke rasch auszun?tzen, w?hnten wir doch noch immer, in B?lde weiterfahren zu k?nnen. Da uns in Surabaya gesagt worden war, nur die falsche Gr??e der Schiffsschraube sei an allem Unheil Schuld gewesen, wurde nun endlich beschlossen, sofort eine kleinere Schraube dort zu bestellen und auf Bali so lange auszuharren, bis sie gekommen war. Wir rechneten mit 2 bis 3 Wochen und wollten so lange unser Schiff als Standquartier benutzen. Ein Hotel gab es n?mlich damals auf ganz Bali nicht, nur hier und da in luftiger H?henlage ein Rasthaus (Pasanggrahan), eine Herberge vor allem f?r durchreisende Regierungsbeamte, in der man sich selbst bek?stigen und betten mu?te. Die Zahl der Europ?er, die als Zivilbeamte der holl?ndischen Regierung ?ber das dichtbev?lkerte Eiland verstreut waren, betrug zu unserer Zeit etwa sieben Mann. Ganz selten erschien ein wei?er Fremdling, und dann nur zu wissenschaftlichen Studien. Schlechte Erfahrungen hatten bewirkt, da? sich keine christliche Mission in diesem "Kulturschutzgebiet" niederlassen durfte.

Den 14 Januar benutzten wir zu einem offiziellen Besuch bei unserem liebensw?rdigen "Nothelfer", dem Herrn Veenhuisen, der als Resident von Bali und Lombok im nahen Singaraja amtierte. Dann bereiteten wir eiligst einen mehrt?gigen Ausflug ins Innere vor, zu dem uns der Resident geraten hatte.

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(Die Beschreibung Balis aus Stresemanns Tagebuchnotizen von 1911)
Nachmittags gehe ich zum Jagen an Land und sammle l?ngs des Strandes. Sawahfelder in ihrer zartgr?nen Pracht. In Malakka wurde ?berall die trockene Reiskultur angewandt), umgrenzt von schlanken Kokospalmen voll goldbrauner Fr?chte inmitten der sanft sich neigenden Wipfel erstrecken sich weit ins Land hinein, bis an den Fu? des steil ansteigenden waldgekr?nten Bergr?ckens in der Ferne, schneewei?e Reiher stelzen in der jungen Saat, ganz ohne Scheu, f?r das ungewohnte Auge ein entz?ckender Anblick.

Jenseits des kleinen Baches, in den all die vielen Kan?lchen m?nden, die aus dem fast handbreit mit Wasser bedeckten Reisfeldern herausf?hren, zieht ein Stiergespann den Pflug durch die schwere Erde, bed?chtig, ich bin versucht zu sagen: mit W?rde. Was f?r geduldige Knechte sind sie doch geworden, diese Bantengs, die einstmals als trotzige Wildrinder die Bergh?nge Balis und Javas, die, auf ihre urgewaltige Kraft vertrauend, den Kampf mit Mensch und Tiger aufzunehmen wagten. Jetzt sind diese gewaltigen zur gutm?tigen verachteten Sklaven geworden, ein willenloses Werkzeug in der Hand derer, denen sie einst als toddrohende Feinde gegen?bertrat

Die Balirinder haben in ganz erstaunlichem Ma?e ihren urspr?nglichen Typus bewahrt. Bei sehr vielen sind morphologische Unterschiede vom Wildrind ?berhaupt nicht zu bemerken; manchmal gibt sich bei Stieren in einer Ann?herung der Hornform an die der K?he oder in einer tief braunschwarzen statt hellbraunen F?rbung der Decke der degenerierende Einflu? der Domestikation zu erkennnen. Au?er dem Kerabau, der sich nicht mit der Bos zu kreuzen scheint, wir keine andere Rinderrasse auf Bali gehalten, so da? eine planlose Vermischung der Bantengs mit Zebus und Taurusrindern, wie dies auf Java der Fall ist, wo man kaum ein reinrassiges Rind wenigstens in den Gro?st?dten zu sehen bekommt, nicht stattfinden.

Mehr noch als der Banteng, der vornehmlich als Wagenzugvieh und Mastvieh Verwendung findet, wird der Kerabau zur Sawahkultur benutzt. Man begegnet darunter auff?llig vielen "Albinos". Mit rosa Haut und wei?en sp?rlichen Haaren, aber pigmentierter Iris; sie erinnern in ihrer Scheu?lichkeit an gro?e Schweine.

Da ich mich bereits bei den Haustieren aufhalte, m?chte ich vorausgreifend noch einiges ?ber das Bali-Hausschwein bemerken. Von welcher Gruppe von Wildschweinen es abzuleiten ist, ist mir nicht klar; es ist ein nicht gro?es, oft sehr langschn?uziges Tier, die schwarze Haut reichlich mit schwarzen Haaren bedeckt, h?ufig eine auff?llig hohe Nackenm?hne tragend. Das Schwein ist als Haustier ungemein verbreitet, fast jede Familie hat ihre Schweine; nachdem sie gut gem?stet sind, derart, da? das Fell des Bauches das R?ckgrat tief herabzieht und so ein h?chst komisch wirkender Senkr?cken entsteht (die Schweine sind l?nger gebaut als unsere deutschen Hausschweine). Sie werden in gro?en Transporten (manchmal 900 St?ck auf einem Dampfer) nach den gro?en St?dten im Westen, vor allem Singapore verschifft, wo die Chinesenbev?lkerung als Abnehmer auftritt. Jeder westw?rts steuernde Dampfer nimmt in Boeleleng Schweineladung ein, sie bildet das Hauptausfuhrprodukt der Insel.

Aber das alles sind Erfahrungen am 6. Februar; damals am 12. Januar war ich mir ?ber all diese Verh?ltnisse noch recht im Unklaren!

Der in nicht allzu gro?er Ferne sich erhebende Bergr?cken lockte mich nat?rlich m?chtig, vor allem im Hinblick auf zoologische Ausbeute. Auch verlangte es mich, m?glichst bald, die Balibev?lkerung kennenzulernen. So brach ich am Morgen des 13. mit Awi und Legiman dorthin auf. Unser Weg f?hrte durch die Ansiedlung, vor der wir lagen; in langer Reihe rechts und links der Landstra?e die niedrigen H?user, meist nur ein viereckiger Raum mit zerkl?fteten Lehmmauern umgeben und mit Stroh gedeckt, innen gew?hnlich eine Abteilung f?r das "Bett", ein mattenbelegtes Holzgestell; die T?r, auff?lligerweise hier auf Bali meist eine geflochtene Schiebet?r, ?ffnet sich gastfrei allem, was da drinnen heimatberechtigt zu sein glaubt: Neben kleinen schwarzen Schweinchen, kleinen schmutzigen splitternackten Kindern, H?hnern, Enten und dem Hund.

Dieser Hund verdient ein paar Worte. Jedes Haus besitzt einen solchen W?chter, dessen auff?lligste Charaktereigenschaft ein grimmiger Europ?erhass ist. Betritt man ein Dorf, so ist man sicher, von einer ganzen Schar solcher kl?ffw?tiger Viecher empfangen zu werden, die sich stets in sicherer Entfernung haltend, mit lautem Bellen allm?hlich bis vor die T?r ihres Besitzers retirieren, wo sie mit grimmer Miene wieder festen Fu? fassen, als wollten sie sagen: nur ?ber meine Leiche geht der Weg oder etwas ?hnliches Bombastisches. Will man aber ins Haus hinein, so geben sie auch hier schlie?lich klein bei und fl?chten mit eingeklemmtem Schwanz hinter die Steine, die den Herd bedeuten.

Es hat sich hier auf Bali in Folge der Isolierung, die noch vermehrt wird durch das Verbot der holl?ndischen Regierung, Hunde nach niederl?nisch-Indien einzuf?hren, eine ziemlich konstante Hunderasse herausgebildet, die durch folgende Merkmale charakterisiert ist: ein Tier etwa von Spitzgr??e mit der Kopf- und K?rperform und der F?rbung einer d?nischen Dogge. Ganz offenbar geh?rt der Hund der Doggengruppe an; da die Leute nicht kupieren, wird die ?hnlichkeit mit unseren gestutztohrigen Doggen etwas verringert. Ob diese Rasse auch auf anderen Inseln des malayischen Archipels zu finden ist, ist mir unbekannt. Ich nehme es als wahrscheinlich an. Nat?rlich sieht man auch Outsiders, besonders in der F?rbung (wei?e oder hellbraune); diese sind jedoch in der Minderzahl.
 

Die erwachsenen M?nner unterscheiden sich nicht sehr wesentlich von den Javanern, sie tragen wie diese lange Haare, die unter dem gebatikten Ikat kapala dem Kopftuch, geborgen werden. Dieses Kopftuch wird hier oft sehr phantastisch getragen, indem man einen langen Zipfel nach vorn, rechts oder links keck in die Luft ragen l??t.

Der Sarong, den die Balileute weiterhin mit den Javanern gemeinsam haben und der wie die meisten Kleidungsst?cke von Java importiert wird, pflegt gleichfalls originell getragen zu werden: es reicht bis zur Kniegegend, nur vorn in schweren Falten fast bis zur Erde herabh?ngend. Den Oberk?rper bekleidet au?er bei der Arbeit nach javanischer Art eine buntgef?rbte Jacke, Made in Germany.

Das Hauptschmuckst?ck des Eingeborenen ist sein Kris, der seine haupts?chlichsten Bedeutung entsprechend m?glichst sichtbar mit dem Griff weit aus dem Sarong herausragt. Schon in Soerabaja waren mir unter den unz?hligen Krissen aller Qualit?ten, die uns die umherziehenden H?ndler im Hotel anboten, die Balikrisse aufgefallen, deren wuchtige geschlossene Formen sie von den Javakrissen mit ihren oft unverh?ltnism??ig kleinen sinnwidrigen spielerisch verzierten Griffen auszeichneten. Das waren damals ganz einfache St?cke gewesen, nur roh gearbeitet. Jetzt auf Bali sehe ich Krisse, die an Prunk die wertvollsten und k?nstlerischsten Javakrise ?bertrafen, die ich gesehen hatte. Das Motiv einer edelsteinbes, der seine haupts?chlichsten Bedeutung entsprechend m?glichst sichtbar mit dem Griff weit aus dem Sarong herausragt. Schon in Soerabaja waren mir unter den unz?hligen Krissen aller Qualit?ten, die uns die umherziehenden H?ndler im Hotel anboten, die Balikrisse aufgefallen, deren wuchtige geschlossene Formen sie von den Javakrissen mit ihren oft unverh?ltnism??ig kleinen sinnwidrigen spielerisch verzierten Griffen auszeichneten. Das waren damals ganz einfache St?cke gewesen, nur roh gearbeitet. Jetzt auf Bali sehe ich Krisse, die an Prunk die wertvollsten und k?nstlerischsten Javakrise ?bertrafen, die ich gesehen hatte. Das Motiv einer edelsteinbespickten Wajangfigur aus purem Gold als Griff, der mit Gold ausgelegten, oft sehr kunstvoll verzierten Flammenklinge sah ich bei vielen Vornehmen: manche davon mochte viele tausend Mark wert sein. Die meisten dieser wertvollen Klingen besitzen ein hohes Alter und es haften an ihnen mancherlei Sagen und Traditionen und viel Aberglaube. Ich sah zuerst bei einem unserer Diener, bei Orip, wie man einen Kris zu behandeln hat; bevor er ihn aus der Scheide zog, f?hrt er ihn gr??end an die Schl?fe, mit and?chtiger, fast betender Geb?rde; dann zog er ihn langsam heraus, die Spitze von sich abgekehrt." R?hrt ein Weib an die Klinge, so bei?t das Eisen nicht mehr", so belehrte er uns. Wahrlich wie ein Hausgott wird er gehalten solch ein Kris.

Die Frauen unterscheiden sich in vieler Hinsicht von den Frauen von Ostjava; sie tragen nur den Sarong, den Oberk?rper bis zu den H?ften dagegen frei; die jungen Frauen sind oft von sehr h?bschem Wuchs. Die Haare werden in einem einfachen Knoten geschlungen, an einer Seite des Kopfes getragen; jetzt nachdem ich ?ber den Eindruck des Ungewohnten hinweg bin, finde ich diese unsymmetrische Haarfrisur direkt schick. Als Schmuck tragen die Frauen au?er den auch in Java ?blichen Fu?ringen (ein schwerer zinnerner oder silberner Ring um jeden Kn?chel) noch Ohrr?llchen, aus gerollten getrockneten Palmbl?ttern hergestellt, die durch ein gro?es Loch der unteren Ohrh?lfte gesteckt werden.

Die Sitte, da? die Frauen den Oberk?rper entbl??t tragen, soll sich auf eine Vorschrift der ehemaligen Radjas von Bali gr?nden, die sich auf diese Weise das Suchen nach h?bschen M?dchen des Landes zu erleichtern suchten.

Diese Radjas, ein Hindugeschlecht, dessen Geschichte in jene Zeit des Mittelalters zur?ckreicht, in der ganz Java unter Hinduherrschaft stand, (die gewaltigen Tempelreste von Boro-Bodur in Mitteljava ragen noch heute als Denkm?ler jener Zeit auf), haben das Volk von Bali furchtbar bedr?ckt. So erlie?en sie z.B. den Befehl, alles Silber und Gold m?sse an sie abgeliefert werden. Wer etwas zur?ckbehielt wurde grausam bestraft. Daher r?hrt die gro?e Armut des Volkes, die uns bei einem Gang durch die Kampongs von Boeleleng Singaradja so Recht zum Bewu?tsein kommt; daher auch die Einf?hrung des Chinesenpfennigs, hier Kapeng genannt. Dies ist eine etwa markst?ckgro?e in der Mitte durchlochte Kupferm?nze, von denen 6 auf den Cent gehen!

Die Geldzust?nde erinnern daher vollkommen an spartanische Zust?nde. So wiegt ein holl?ndischer Reichstaler (2 1/2 Gld.) in Kapengs etwa 20 Pfund. Um eine Flasche Kokos?l, die 50 Cent kostet, (80 Pfge). zu bezahlen, mu? man 300 solcher Geldst?cke abz?hlen.Das Geld wird an Schn?ren aufgereiht, meist 200 an einem Ring; man kann ?fters Leute beobachten, die ein wenig Geld, das sie vielleicht beim Verkauf eines Schweines erl?st haben, transportieren: an die beiden Enden einer festen Bambusstange, die der Tr?ger ?ber die Schulter nimmt, werden die schweren Geldringe geh?ngt, und schwitzend und keuchend stapft der gl?ckliche Besitzer dieser 20 Gulden (= 1 Zentner) einher. Das Stehlen von Geld wird einem auf Bali wahrhaftig "schwer" gemacht.

Die holl?ndische Regierung, deren Einflu? erst in den letzten Jahren gr??ere Dimensionen angenommen hat (die Herrschaft der Radjas wurde erst 1906 nach einer bewaffneten Emp?rung abgeschafft; es fielen damals mehrere hundert der K?nigstreuen) nimmt energisch die Einf?hrung holl?ndischen Geldes in Angriff, hat aber bisher nur wenig Erfolg erzielt. Die meisten Eingeborenen besitzen und m?gen nur Kapengs. Soviel zur allgemeinen Orientierung. Ich habe dabei den Faden meiner Erz?hlung ganz verloren und mu? daran erinnern, da? ich eigentlich erst einen Tag in Bali bin und soeben das erste Dorf betreten habe.

Wir lie?en bald den kleinen Kampong mit seinem Hundegebell hinter uns und bogen links in einen schmalen Weg ein, der in vielen Windungen durch Reisfelder und Kokosplantagen an den H?henzug heranf?hrte. Aus den Wipfeln klang das vertraute "Sch?tze von B?low" unseres Pirols, von einem ihm sehr ?hnlichen Verwandten hervorgebracht; z?rtliche Turteltaubenpaare wiegten sich auf den Palmenwedeln, und gro?e samtschwarze Papilios mit wei? und roter Zeichnung gaukelten ?ber den Weg. Jetzt, halb acht Uhr, war es schon recht hei? geworden und da ich einen S?dhang hinauf wollte, konnte es noch gut werden und so wurde es auch! Als ich am Fu? des R?ckens angelangt, wo nunmehr ?ppige Maisfelder an die Stelle der Sawahs traten, mein deutsches Steigtempo anschlug, rann schon nach wenigen Minuten der Schwei? in hellen Str?men, aber ich sah mit Befriedigung, da? es meinen eingeborenen Dienern noch saurer wurde. Nach etwa 3-st?ndigem Steigen erreichten wir die Urwaldregion. Der Unterschied der Vegetation von der in Perak war recht auff?llig; pr?chtige Platyceriumfarne bildeten einen mir aus der Natur noch nicht bekannten Baumschmuck; Orchideen, epiphytische- wie Bodenformen, waren in erstaunlicher F?lle vorhanden. Dagegen war der Tierreichtum dieses Waldes ungeheuer gering; ich sah keinen einzigen Vogel und mu?te mich an diesem mit gro?en Erwartungen begr??ten Tag mit einer Anzahl uninteressanter Formen aus der Kulturregion begn?gen.

Auf dem R?ckweg betraten wir einen kleinen Hof im Walde, der von Klepperb?umen umstanden war, und fragten nach Kokosn?ssen (wir hatten noch nichts getrunken den ganzen Tag bei dieser sengenden Hitze). Die Leute verstanden kein malayisch; das balinesisch scheint eine selbst?ndige Sprache zu sein mit einer Anzahl malayischer Fremdworte. So mu?ten wir zur Zeichensprache unsere Zuflucht nehmen. Im Nu war ein 6-j?hriger Bengel affengleich den hohen Stamm hinaufgeklettert und warf uns ein paar gr?ne N?sse herab (wir hatten die Geb?rde des Trinkens gemacht). Die j?ngeren gr?nen N?sse, deren Fleisch noch nicht ausgereift ist, sind ganz mit Kokoswasser gef?llt, dessen Geschmack den der in Europa erh?ltlichen ausgereiften N?sse weit ?bertrifft. Solange man sich in der Kulturzone befindet, pflegt man auf dem Marsch seinen Durst am liebsten an Kokosn?ssen zu l?schen, die f?r etwa 2 1/2 Cent erh?ltlich sind.

Freilich steht man oft unter einer Palme voller Fr?chte mit weit heraush?ngender Zunge, und daneben der Besitzer, der gern verkaufen m?chte, aber es ist augenblicklich niemand im Ort, der auf Klapperb?ume zu steigen versteht; solche Leute sind n?mlich sp?rlich ges?ht und meist sind es dann die Dorftrottel.

Es wurde Abend ehe wir uns der K?ste n?herten; wir hatten noch einen Aufenthalt im Kreise einiger malayisch sprechender Feldarbeiter, die mich einluden, an ihrem Picknick teilzunehmen; es gab an offenem Feuer k?stlich ger?stete Maiskolben. Im Gespr?ch boten sie mir ein 8 Monate alten Kerabau f?r 3 Taler an, was f?r mich sicher ein gutes Gesch?ft gewesen w?re; aber wir hatten auf der Freiburg wirklich keinen Platz mehr daf?r, selbst wenn ein anderes Rindvieh, der Bantung an seiner Stelle abgeschoben sein w?rde, wie bereits geplant worden war. So nebenbei sagten sie mir auch, da? die Freiburg gar nicht mehr an ihrer alten Stelle l?ge, sondern vom Regierungsdampfer abgeholt und nach Boeleleng geschleppt worden sei. So langten wir denn, nach einer Wagenfahrt erst in der Nacht wieder auf dem Schiff an.

Wir hatten uns in 3 Kolonnen geteilt; am Vormittag des 15. brach ich als erster auf, mit 2 Packpferden, 3 Pferdetreibern und 4 Dienern. Mein Plan war, den 2150 m hohen Gunung Bratan zu erreichen, auf seinem Gipfel ein Lager aufzuschlagen und dort etwa 8 Tage zoologisch zu sammeln, in einem vermutlich zoologisch noch unbekannten Gebiet. Deninger und Tauern wollten den 1350 m hohen Pa? Toja Katipan, von dem aus ich den Gunung Bratan zu besteigen gedachte, ?berschreiten und zum gro?en Kratersee Danan Bratan hinabsteigen.

Nach etwa 3-st?ndigem Marsch auf leidlicher Stra?e erreichten wir den Ort Gitgit (600 m), wo ich vom Residenten, der zur Erholung in Pasang Grahan (Rasthaus) weilte, und seiner Familie sehr herzlich empfangen und mit allerhand Erfrischungen traktiert wurde. Gitgit bezeichnet die Grenze der Kulturzone. Von nun ab gings auf steilen, vielfach gepflasterten Pfad in Urwald und Regen hinein. Vorher sengende Sonnenglut, jetzt 2 Stunden lang ein kalter Platzregen, der mich aber nur die ersten paar Minuten st?rte, da ich bald zum Stadium absoluter Wurschtigkeit emporgeklommen war.

Als wir aber in etwa 1000 m ein kleines H?uschen erreichten, hatte ich doch ein Einsehen und lie? die Pferde abpacken, zumal es schon sp?t am Tage war und mich ein paar wertvolle V?gel, die ich soeben gesehen hatte, m?chtig lockten.

So schlief ich denn in dieser Nacht wieder in der H?ngematte, wie einstmals droben im Gebirge von Perak; wie dort sangen mich hunderte von Zikaden in den Schlaf, und ganz wie dort brachte die Nacht grimme K?lte, so da? man trotz seiner zwei warmen Decken m?chtig fror. Ich glaube, selbst in den unheizbarsten Zimmern der Wiesenbaude hat man in diesen Tagen nicht so gefroren. Uns war in Boeleleng gesagt worden, da? hier oben noch viele Tiger vork?men, und beim Pferdeleihen mu?ten wir uns ausdr?cklich verpflichten, f?r die aufgefressenen G?ule aufzukommen; es war daher ein kleiner Nervenkitzel f?r mich, als pl?tzlich mitten in der Nacht die G?ule, die unweit des Hauses am Waldrand grasten, laut zu wiehern anfingen. Doch mit Tigern wars hier und auch sp?ter nichts, die Leute im Gebirge erkl?rten, da? sie weiter im Westen jenseits des Danan Boejan vork?men und so f?hrten wir denn auch diesmal, wie in Perak, die Karabiner vergeblich spazieren.

Ich hatte beschlossen, noch einen Tag hierzubleiben, da die Ornis sehr interessant war; beim Morgengrauen brach ich zur Jagd auf mit dem kleinen Pferdejungen, dem Made, einem flinken lustigen Bengel mit verteufelten Augen, ohne den ich sp?ter niemals auszog. Ich konnte zehnmal einen Fleck abgesucht haben, an dem ich einen gefallenen Vogel vermutete, kam Made dazu, so sah er ihn auf den ersten Blick. So gar leicht ist es n?mlich nicht, die kleinen schutzfarbigen V?gel im Urwaldgestr?pp oder gar zwischen den Halmen mannshohen Grases zu finden; die H?lfte etwa aller erlegten V?gel geht verloren. Aus den eingeborenen Hunden lassen sich keine Sp?rhunde machen, sie sind dazu zu dumm, zu faul und zu gefr??ig.

Gegen Mittag kam die Tauernsche Kolonne mit 6 Mann vorbei, am Nachmittag Deninger, der mir bis zum n?chsten Morgen Gesellschaft leisten wollte.

Wir brachen sehr fr?h auf, da ich ja noch ein zweites, vor allem hohes Ziel vor mir hatte; nach weiterem starkem Steigen erreichten wir in 2 Stunden die Passh?he 1350 m. Hier steht aus altersschwarzem Balken roh zusammengef?gt, ein kleines Heiligtum, an dem die Scharen der Vor?berziehenden ihr Gebet verrichten und der Gottheit ihre kleine Gabe darbringen, eine bunte duftende Waldblume oder eine Frucht - bevor sie dr?ben ins Tal hinabsteigen. Dieser Weg wird t?glich von vielen Hunderten begangen, denn er ist der haupts?chlichste Verbindungsweg zwischen der Nord- und S?dk?ste; auf ihm wird der gr??te Teil der Ausfuhrprodukte der S?dk?ste nach Boeleleng gef?hrt: Schweine, H?hner, Enten, Rinder, Kopra.

Ein Marsch auf diesem Weg bringt daher jeden Augenblick eine neue interessante Begegnung. Ein paar M?nner kommen daher, den Kopf verborgen unter ungeheueren rundkuppigem Hut aus Flechtwerk, die Kerls sehen aus wie wandelnde Steinpilze, unterm Arm tragen sie sonderbare K?rbchen, aus deren jedem ein H?hnerkopf verwundert herausschaut. Diese K?rbe werden h?chst einfach hergestellt: man schneidet aus einem Palmenblatt ein etwa 30 cm langes St?ck heraus, verflicht die Spitzen der beiderseitigen Fiedern miteinander und hat in ein paar Minuten ein h?bsches rings geschlossenes K?rbchen, das sich bequem an der Rispe tragen l??t, gerade passend f?r ein Huhn oder ein paar Fr?chte. - Diese humane Behandlungsweise der H?hner (?brigens erst eingetreten auf Grund eines Erlasses des jetzigen Residenten) f?llt besonders angenehm auf, wenn man aus Java kommt, wo die lebenden H?hner behandelt werden wie bei uns die toten, wo sie dutzendweise mit den Beinen aneinandergebunden und kopfunter an Stangen geh?ngt umhergetragen werden, wo solche lebendigen B?ndel in weitem Bogen von Hand zu Hand oder aus einem Boot ins andere geworfen werden, als w?ren es Postpakete, auf denen "Achtung! Glas! Nicht werfen!" steht. (Man kann ja ?brigens ?hnliches schon in Italien sehen)

Bald naht ein neuer Zug, ein Schweinetransport! Da darf man nun nicht an unsere hochzivilisierten mitteleurop?ischen Zust?nde denken: wo der Bauer hinter seinen zwei S?uen einhergeht mit einem schweren Stecken, er m?cht noch gern heut zur Stadt hinein zum Metzger, aber die S?ue haben gar nicht solche Eile, sie legen sich in jede Pf?tze und bleiben vergn?glich grunzend darin liegen, bis ihnen das Fluchen und die Hiebe ihres gestrengen Herrn denn doch ein bi?chen zu arg werden und sie sich mit lautem Jammern wieder auf den Weg machen, aber freilich nicht f?r lange: denn schon nach 10 Schrittchen blinkt eine neue Pf?tze - nein, so geht das im wilden Bali nicht zu. Da wird f?r jedes Schwein ein langer, luftiger Korb geflochten, da hinein sperrt man das schwarze Scheusal; dann wird eine lange Bambusstange durch den Korb gesteckt, und schon ist der Transport unterwegs. Da liegt sie nun die brave Sau, so urbehaglich, und streckt voller Wohlgef?hl drei ihrer fetten Beine zum Flechtwerk hinaus und l??t sich von 2 Leuten 1300 m und 1300 m wieder hinabtragen und unterwegs wird sie sogar noch einmal hinausgelassen zum erfrischenden Bad im Gebirgsbach. Wer an ihrer Stelle w?rde da nicht auch voll Behagen grunzen.

Jetzt unmittelbar hinter der Pa?h?he f?hrt der Weg in vielen Serpentinen steil etwa 400 m hinab. Es ?ffnet sich eine weite herrliche Aussicht in zwei breite Kraterkessel: das Tal des Danang Boejan und das des Danang Bratan. Der erstere, ein etwa 3 km langer Kratersee, ist rechts durch die St?mme in seiner ganzen Pracht sichtbar, dicht umschlossen durch die alten zerst?rten Kraterw?lle. Die bis zu 2300 m aufragende vierspitzige Gunung Tabanan-Gruppe ist als ein Teil dieses Walles aufzufassen. Und Urwald, nichts als Urwald, wohin das Auge blickt; wie gepflastert mit hellgr?nen und dunkelgr?nen Buckeln sehen die H?nge aus: das sind die riesigen Baumkronen. Rechts erhebt sich majest?tisch der Gunung Bratan fast senkrecht aus der weiten Talsohle des gleichnamigen Sees noch hoch, hoch ?ber uns. Ein sanft ansteigender scharfer Grad verbindet uns mit dem Gipfel. Da mu? also wohl auch der Weg hinauff?hren. Mein "ortskundiger" Pferdetreiber bestreitet dies indes und behauptet, der Weg f?hre erst ins Tal hinab und von diesem wieder hinauf auf den Gipfel. Das kommt mir zwar h?chst unwahrscheinlich vor, aber da ich den Weg nicht selbst kenne, mu? ich mich an seine Angaben halten.

So begleite ich also Deninger noch ein St?ck weiter als ich erwartet hatte. Der Urwald in der weiten Talsohle ist von einer nie gesehenen Pracht: Es ist wie ein jahrhundertealter, ein ganz ausgereifter Park: von den hunderttausend B?umchen, die da einstmals aufschossen, alles ausf?llend und zudeckend in ihrem verzweifelten Ringen nach Platz und Oberherrschaft sind nur die edelsten, die st?rksten geblieben, jetzt jeder ein gewaltiger K?nigsbaum, ein ganzes Gebiet beherrschend und beschirmend mit seiner m?chtigen dichten Krone. Zu seinen F??en liegen vermodernd die er einst im Kampf um die Vorherrschaft bezwungen, hier und da reckt sich noch wie der Arm eines Toten ein faulender Stamm in die Luft, r?hrst du daran, so greifst du in weiches Mehl. Was jetzt noch aufstreben will an junger Saat, wird niedergehalten oder im Keim get?tet und nur die Totengr?ber werden geduldet: die Moose, Farne und Berlappgew?chse, die einen weichen feuchten dunkelgr?nen Teppich weben, einen tr?gerischen Boden voller Angeln und Fallgruben f?r den tastenden Fu?. So stehen sie in respektvoller Entfernung voneinander, diese Riesen, und flechten ihre Kronen ineinander, so dicht, da? kein Sonnenstrahl den Boden trifft in diesem gro?en Walde; es ist wie ein riesiger Dom, dessen smaragdene Kuppel von tausend starken S?ulen getragen wird. Ganz still ist es in diesem Dom, kein Tierschrei, kein Vogelgesang, nur das Rucken gr?ner, rosak?pfiger Tauben, die hoch oben in den Kronen von goldbraunen Fr?chten naschen. Hier und da entdeckt das Auge wohl auch eine Blume mitten am Stamm oder in einer Nische der gewaltigen ?ste, eine zarte gelbe oder eine dunkelpurpurne Blume von bet?ubend s??em Duft. Und dann entdeckt man noch andere seltsame Gebilde, die sich da oben allenthalben angesiedelt haben: gro?e Farne, die ihre langen Bl?tter im Kreis ausbreiten, wie ein Ma?lieblichen seine wei?en Kronbl?tter, in ihrer Mitte einen tiefen Napf wie ein Vogelnest lassend. Hier und da hat solch ein Riesenfarn eine d?nne Luftwurzel umfa?t, die der Baum oder einer seiner G?ste herabgeschickt hat, denn ist die Luftwurzel unter dem Farn abgefault und jetzt schwebt er in der Luft wie eine Ampel.

Pl?tzlich kommt Leben in die Stille: erst ein paar sonderbare unerkl?rliche Schreie, dann ein lautes Rauschen, Krachen und St?rzen in den Kronen: eine Herde gro?er schwarzer langbehaarter Affen hat uns bemerkt und sucht voll Hast das Weite. In gewaltigen Spr?ngen schwingen sie sich von Ast zu Ast, st?rzen von Krone zu Krone und unter ihrem schweren Gewicht rauschen und biegen sich die Zweige in einem gewaltigen Sturm.

Und wieder nach einer Weile t?nt aus allen B?schen und B?umen um uns vielstimmiges Vogelgezwitscher, ein bunter Schwarm Kleinv?gel zieht gerade vor?ber. Hier in den Tropen machens die meisten kleineren V?gel zur Regenzeit wie unsere Kleinv?gel im Winter; was sich zur Brutzeit blutig befehdet, streicht jetzt monatelang zusammen durch den gro?en Wald. Viel sehr bunte V?gel sind darunter. Blutrote und ganz dunkelgelbe, aber auch manche, die uns recht bekannt vorkommen: Eine Meisenart, die fast wie unsere Kohlmeise ausschaut, kleine Laubs?nger aus der Verwandtschaft der Weiden- und Fitislaubs?nger und ein kleiner Specht, der unserem kleinen Buntspecht zum Verwechseln ?hnlich ist. Man darf sich nicht vorstellen, da? die V?gel hier in den Tropen bunter sind als bei uns, die Waldv?gel wenigstens sind es nicht, am ehesten noch trifft es bei den V?geln der Fruchtg?rten, den bl?tenbesuchenden kleinen Honigsaugern und Dicaeiden zu.- Aus dem Vogelschwarm, der uns begegnet, t?nt hier und da ein pr?chtiges melodi?ses Lied, es gibt unter den Gebirgsv?geln auff?llig viel gute S?nger, die meisten pfeifen kurze Liedchen, die sich ganz leicht in Noten fassen oder nachpfeifen lassen, was bei europ?ischen V?geln seltener der Fall ist.

Jetzt regt sichs auch hier und da in den alten St?mmen, huscht mit gro?er Geschwindigkeit abw?rts, klettert ?ber eine Lianenbr?cke, verschwindet am anderen Stamm: das sind Eichh?rnchen und Spitzh?rnchen (Tupaia), die meist ein sehr verborgenes Leben f?hren, jetzt aber sich heute herauswagen in der Hoffnung, einen der kleinen S?nger zu erhaschen.

In der Ferne t?nt lauter langgedehnter Gesang kr?ftiger Frauenstimmen. Melodie und Rhythmus ganz wie Priestergesang bei der heiligen Messe. Kirchenmusik in diesem erhabenen Gottesturm. Jetzt kommen sie heran: ein langer Zug von Frauen und M?dchen, die in sch?ngeformten K?rben schwere Lasten auf dem Kopf tragen, gefolgt von ein paar M?nnern mit H?hnerk?rbchen oder ein paar Fr?chten unterm Arm. Hierzulande verrichten die M?nner die Feldarbeit; aber das Tragen ?berlassen sie den Frauen. Als die Schar uns sieht, verstummt der Gesang, man macht uns ehrerbietig Platz, aber bald darauf hallt wieder das pr?chtige Lied durch die Einsamkeit. Unsere javanischen Diener lachen. Ihnen, die nur die d?nnen qu?kenden n?selnden Stimmchen ihrer Weiber daheim gewohnt sind, kommt dieser starke freie Waldgesang wahrscheinlich sehr barbarisch vor.

Am Nachmittag erreichen wir den Danan Bratan, ein See von der Ausdehnung etwa des Silsersees im Engadin, und finden dort zu unserer ?berraschung ein Dorf, das erst seit einigen Jahren besteht und noch keinen Namen f?hrt. Aus einer der H?tten tritt uns Tauern entgegen, in seiner Verwilderung von weitem ganz wie ein Menschenfresser anzuschauen; er hat ein Haus gemietet und bald sitzen wir drei gem?tlich beisammen um Huhn mit Reis.

Jetzt sitze ich also hier unten und 1500 m ?ber mir ragt der Gipfel des Gunung Bratan, auf den ich heute noch hinauf wollte! Der "ortskundige" Pferdef?hrer wird gerufen, und jetzt gesteht er nach einigen faulen Ausreden, da? er den Weg hinauf nicht wisse. Als ich ihn sp?ter kennenlernte, kam ich dahinter, da? er mich absichtlich irre gef?hrt hatte, weil er die K?lte da oben nicht sch?tzte!

Da half nun alles Fluchen nichts, ich mu?te zur Nacht hierbleiben; und da Essen und Ornis gut war, hatte ich mich bald soweit mit meinem Schicksal ausges?hnt, da? ich beschlo?, noch einen Tag hierzubleiben. Tauern, der mehrere Affen geschossen hatte, pflegte mit viel Affenliebe einen jungen angeschossenen Macacen cynomolgus; dem kleinen widerhaarigen Tierchen pa?te das ewige Gep?ppel- und Geh?tschel gar nicht, und nach einigen Tagen ist er auch prompt eingegangen. Aber uns beiden Unbeteiligten hat er bei seinen Lebzeiten viel Vergn?gen gemacht, besonders wenn er seinen Pfleger, der ihn stets am Busen w?rmte, die Hosen voll machte oder die eingefl??te Milch wie Hans Huckebein in die Gegend spritzte und dazu bi? und kratzte er nach Herzenslust, aber Tauern sah wie jede Mutter die Untugendheiten seines Pfleglings als die h?chsten Tugenden an, und lie? ihn selbst in seinem Bett schlafen.

Von meinen Streifereien brachte ich stets ein paar Tauben mit, die eine h?chst willkommene Abwechslung in unseren K?chenzettel brachte, der normalerweise lautete: Reis mit Konserven, oder: Konserven mit Reis oder: nur Reis. Im Ort konnte man noch Gem?se dazu erhalten; und so f?hlte man sich bei seinen T?ubchen mit Gr?nkohl fast wie zu Hause in Dresden.

Einmal brachte ich auch eine kleine Schlange mit; es ist erstaunlich, wie ?u?erst selten man Schlangen im Urwald trifft; in Europa hat man hiervon oft ganz falsche Vorstellungen. Dagegen wimmelt es von Schlangen, ungiftigen und giftigen, in den Reisfeldern (Froschnahrung).

Am Vormittag des 19. zog ich mit meiner Kolonne wieder zur?ck auf die Passh?he und w?hlte einen luftigen Schuppen am Wege zum Standquartier. Ich wollte am n?chsten Morgen von hier aus den Gunung Bratan besteigen, aber am Nachmittag brach wieder ein heimt?ckischer Malariar?ckfall bei mir aus mit heftigem Fieber. Ich war zwar am anderen Tage wieder gesund, aber doch so entkr?ftet, da? ich mich bescheiden mu?te in der N?he meines Lagers zu sammeln. Am Abend meldeten meine Leute, Reis und Fisch seien zu Ende, ich mu?te also am 21. wieder talab. Die Vorr?te der beiden anderen waren gleichzeitig zu Ende gegangen, und so treffen wir uns, gerade als ich zum Abstieg fertig war.

Von der Pa?h?he an bis nach Gitgit ist an vielen Stellen zu beiden Seiten des Weges Kaffee gepflanzt; doch tr?gt er erst von etwa 1000 m an abw?rts Fr?chte, etwa eichelf?rmige gr?ne im reifen Zustand rote Gebilde, die wie Bl?tter ?berall an den Zweigen sitzen. In diesem roten, s?? schmeckenden Fleisch sitzen zwei wei?e Kerne, die erst nach Entfernung einer sie ?berziehenden Haut die graugr?ne Farbe der Kaffeebohnen des Handelns erhalten. Das rote Fleisch wird von manchen Tieren, z.B. einer Schleichkatze, dem Musang sehr gesch?tzt: sie verzehren die ganze Frucht, und ihre Exkremente bestehen dann in gro?en Haufen der unverdauten Kerne; solcher Musangkaffee wird als besonders wohlschmeckend ger?hmt und eifrig gesammelt. Ich bemerkte auch bei Gitgit einen solchen Haufen, f?r mich das einzige Anzeichen des Vorkommens von Paradoxurus hermaphroditus auf Bali.

Sehr h?bsch ist die Kaffeebl?te, ein wei?er Stern mit gelben Staubgef??en und eine ?ber und ?ber bl?hende Kaffeepflanzung macht fast den Eindruck eines Blumengartens. Wir sahen hier gleichzeitig bl?hende Str?ucher und solche mit Fr?chten in allen Reifestadien. Die fr?chtelosen Str?ucher der h?heren Gebirgsregion wurden in gro?en Mengen von Kulis talab getragen, wahrscheinlich, um sie an einem Ort mit g?nstigeren Bedingungen zu verpflanzen. Um es nochmals hervorzuheben: die Kaffeestr?ucher stehen hier am Gebirgsweg sozusagen mitten im Urwald von Urwaldb?umen beschattet.

Die n?chsten Tage auf dem Schiff waren im wesentlichen dem Faulenzen gewidmet. Es gibt nichts k?stlicheres, als nach 8 Tagen voll Plackerei und Entbehrungen sich einmal 12 Stunden lang ausstrecken zu d?rfen und an gar nichts weiter denken zu k?nnen als an Ruhe. Wir lagen lang ausgestreckt auf dem Deck im Schatten des Sonnensegels, und lie?en uns von den Wellen einlullen, die tr?ge gegen das Schiff pl?tscherten.

Nachdem die zoologischen Sammlungen getrocknet, geordnet und verpackt waren (ich fand, da? ich unter anderem bereits 85 V?gel in 42 Arten gesammelt hatte), machte ich mich am 25. mit 3 Leuten wieder auf den Weg nach der Pa?h?he, w?hrend Deninger und Tauern zur?ckblieben, um eine Exkursion nach Kintamani, einem Gebirgsort im Osten der Insel, vorzubereiten. Meine Absicht war diesmal vor allem den Gunung Bratan zu besteigen. Schon am n?chsten Tage brach ich in aller Morgenfr?he mit Addi dorthin auf. Den undeutlichen Waldpfad, der von meinem Lager aus hinaufzuf?hren schien, und den ich schon bei meinem letzten Aufenthalt entdeckt hatte, verfolgend, erreichte ich nach 3-st?ndiger stellenweise sehr m?hseliger Kletterei im Farnen- und Rubusgestr?pp zu meinem gro?en Erstaunen einen relativ guten, anscheinend h?ufiger begangenen Weg, der mich in einer Stunde auf eine kleine kahle Hochfl?che am Fu? des eigentlichen Gipfels f?hrte, wo Reste von englischen Zeitungen und Konservenb?chsen verrieten, da? ein Reisender hier geweilt, vielleicht sogar sein Lager aufgeschlagen hatte. Ich befand mich hier in etwa 1800m H?he und geno? einen prachtvollen Rundblick. Im S?den tief zu meinen F??en das m?chtige Oval des Danan Bratan, in dem sich die Spitzen der etwa 2300 m hohen Gunung Tabanangruppe spiegelten, anscheinend wie der Gunung Bratan zum Kraterrand des terti?ren Vulkans geh?rend, dessen M?ndung jetzt der Bratansee bedeckte. Hinter dem See gl?nzten in weiter Ferne die Sawaks der Gegend von Tabanan, und dahinter das Meer. Im Westen lag zwischen hohen steilen W?nden eingezw?ngt der Danan Boejan, dar?ber hinaus ?berblickte ich den ganzen Gebirgszug, der sich im Westen der Insel auft?rmt (seine h?chsten Gipfel erreichten etwa 1800 m) und am Horizont standen scharf umrissen die Riesenberge von Ostjava mit dem 3400 m hohen Gunung Merapi, einem pr?chtigen noch t?tigen Vulkankegel. Durch eine Schlucht, die nach Norden hinablief, erkannte ich den Pik von Boeleleng, der von der Nordk?ste aus so imponierend erscheint und dessen Gipfel jetzt tief unter mir lag; auch im Norden begrenzte das Meer den Seekreis.

Der steilste Anstieg stand mir jetzt noch bevor. Wieder trat der Weg in den Urwald ein, der allm?hlich seinen Charakter ?nderte. Rhododendronb?ume und gro?e Baumfarne nahmen an H?ufigkeit zu, und die St?mme waren hier, wo au?er einigen Morgenstunden best?ndig Nebel und Regen herrscht und die Luftfeuchtigkeit sehr gro? ist von einem dichten Polster der verschiedensten Moosarten bedeckt; von den Zweigen der B?ume gingen allenthalben lange graugr?ne Flechten, ?hnlich denen an den Arven unserer Alpen. Auch die Farn und Lycopodienvegetation am Boden wurde ?ppiger. In diesem Walde waren Scharen einer gro?en schwarzgrauen Affenart eines Sennopitecus h?ufig. Nach weiteren 1 1/2 Stunden erreichte ich den Gipfel, dessen H?he auf den Karten mit 2150 m angegeben ist. Er ist die h?chste Erhebung des scharfen Grades, der einen Teil des alten Kraterwalles darstellt. Die Vegetation war hier oben v?llig ver?ndert: statt der bl?ttertragenden Laubb?ume, die sonst den Urwald ausmachen, fand ich hier einen gro?en Casuarinenwald, der sich den weniger steilen Nordhang tief hinabzog, und ganz den Eindruck eines deutschen Fichtenwaldes machte. Er beherbergte einen Zosterops, eine kleine Vogelart, die ich an anderer Lokalit?t nicht gefunden hatte, das Unterholz wurde durch Rhododendron und eine Rubusart mit wohlschmeckenden Fr?chten gebildet, die ich gleichfalls nur hier oben fand. Nach kurzem Aufenthalt, w?hrend dem ich einige interessante V?gel scho?, Schmetterlinge fing, Leibnizkeks a? und meine Initialen unter ein gro?es A.W. 1886 schnitzte, das ich an einem alten Rhododendronstamm entdeckte, machte ich mich vor den herannahenden Nebelmassen fliehend wieder auf den R?ckweg und erreichte bereits gegen 1 Uhr das Lager wieder.

Der Weg, der ?ber den Gipfel f?hrt, stellt die k?rzeste Verbindung zwischen einer Anzahl von Ortschaften im Westen und Osten dar; die M?he des Aufstieges ist offenbar geringer als die des andernfalls notwendigen gro?en Umweges im Tal. Wie ich an Spuren im Wege sah, werden auch Rinder ?ber den Berg getrieben.

Leider hatte ich am 26. meinen Apparat nicht mitgenommen, und bestieg daher am 28. den Gunung Bratan zum zweiten Mal, vor allem um Aufnahmen zu machen. Das Wetter war diesmal weit ung?nstiger und wir hatten das Vergn?gen, den Abstieg auf schl?pfrigem Boden im str?menden Regen zu machen.

An das Na?werden hatten wir uns hier im Gebirge eigentlich schon gew?hnt; mit gro?er Regelm??igkeit setzte der Regen t?glich gegen 12 Uhr ein und h?rte erst gegen 6 Uhr wieder auf. So war man jeden Nachmittag dazu verdammt, zu Haus zu sitzen und die Zeit mit Pr?parieren oder mit Schlafen zu verbringen, je nachdem man mehr oder weniger geschossen hatte. Das Bett oder vielmehr die H?ngematte war der einzige Ort, an dem man sich vor der K?lte sch?tzen konnte, die besonders nachts sehr empfindlich war, wo die Temperatur oft unter 10?R sank.

An den beiden folgenden Tagen regnete es fast unausgesetzt; gleichzeitig setzte ein ?beraus heftiger Sturm ein, der in der Nacht zum 31. so stark wurde, da? ich bef?rchtete, unser Schuppen k?nne jeden Augenblick abgedeckt oder umgerissen werden. Da jetzt keine Aussicht mehr war, in der n?chsten Zeit wieder gutes Wetter f?r eine dritte Besteigung des Bratan zu treffen (ich hatte beabsichtigt, auf dem Gipfel Pflanzen zu sammeln), stieg ich am 1. Februar wieder nach Gitgit ab. Tags zuvor hatte ich in westlicher Richtung einen kleinen Sammelausflug gemacht, auf dem Wege, der oberhalb des Danan Beojan nach Moendoek f?hrt. Kaum 20 Minuten von meinem Lagerplatz entfernt, bemerkte ich in den Schlamm des Weges tief eingedr?ckt die Spur einer m?chtigen Tatze: ein Tiger war hier die letzte Nacht gegangen!

Regen und Sturm der letzten Tage hatten auf dem Wege nach Gitgit gro?e Zerst?rungen angerichtet, allenthalben der Pfad tief aufgerissen, an vielen Stellen war er vollst?ndig abgerutscht oder durch gewaltige St?mme und Erdmassen gesperrt. Von Gitgit aus konnte ich die K?ste von Boeleleng erblicken. Ein leuchtender wei?er Saum rahmte die Insel ein: Brandung ! Wie wird?s wohl der Freiburg bei diesem Sturm ergangen sein, die dicht am Strande vor Anker lag!

Ich blieb einen Tag in Gitgit und ?bernachtete im Rasthaus; am Nachmittag des 2. Februar stieg ich nach Boeleleng ab. Als ich die ersten H?user von Singaradja erreichte, kam mir der Tr?ger entgegen, den ich mit einigem Gep?ck am Morgen vorausgeschickt hatte. Herr, rief er schon von weitem, das Schiff ist kaputt, es hat drei gro?e L?cher und der Herr m?chte schnell kommen.

Ich wu?te, da? Deninger und wahrscheinlich auch Tauern nicht in Boeleleng waren, sondern eine Tour nach Kintamani gemacht hatten. Jetzt war also das Schiff im Sturm Leck geworden, und die Leute wu?ten sich nicht zu helfen! Ich sah schon im Geiste all die m?hsamen zusammengebrachten Sammlungen und unser Plattenmaterial mit samt dem Schiff in den Wellen verschwinden. Ich brauche wohl nicht zu betonen, da? meine Stimmung bis zur Ankunft im Hafen nicht sehr rosig war. Ein Blick auf die Reede: ungeheuere Brandung, aber von der Freiburg nichts zu sehen ! Ah, da lag sie ja, wohlgeborgen auf dem trockenen Strande, umgeben von einer gro?en Menschenmenge. Was ist los, was ist passiert!? Ich finde Deninger und Tauern gem?tlich beim Kaffee und Erdn?ssen in der Kaj?te sitzend. Was passiert w?re? Nun fast gar nichts, die Freiburg sei von der Brandung an den Strand geworfen worden, da infolge ungl?cklicher Komplikationen die beiden Anker nicht hielten, dabei sei das Steuer abgebrochen und die Schraube habe beim fortw?hrenden Aufsto?en des Schiffes an den Boden einen langen Schlitz in den Schiffsboden ges?gt! Und das war passiert am gleichen Tage, wo das aus Soerabaja inzwischen eingetroffene Ersatzlager eingesetzt werden sollte. Eine Reparatur, durch die die Freiburg wieder seet?chtig geworden w?re! Wenn das neue Ungl?ck nicht eingetreten w?re, h?tten wir heute nach den Molukken weiterfahren k?nnen! Jetzt ist an eine rasche Reparatur nicht zu denken, das Schiff mu? nach Soerabaja zur?ckgeschleppt werden, und unser unfreiwilliger Aufenthalt auf Bali wird sich wohl noch recht in die L?nge ziehen! Zun?chst gilt es, das Schiff ganz auszur?umen; wir verbringen mehrere ungem?tliche N?chte im Pferdestall des Clubhauses, umgeben von all unserem Gep?ck, bis wir ein passendes leerstehendes Haus finden, das einem Araber geh?rt und uns f?r einen m??igen Mietpreis ?berlassen wird. Wir haben nun vier ger?umige Zimmer, einen gro?en sch?nen Hof, in dem die K?che untergebracht ist, und eine pr?chtige Badekammer, gespeist durch das kalte Wasser einer Privatquelle, die im Hofe zutage tritt.

Man kann beinahe schwimmen in unserem Bassin! Unserem Haus gegen?ber liegt die arabische Moschee; dreimal des Tages t?nt vom Turm herab der melodische Lobgesang des Muezzin zu uns her?ber. Man kann sich einbilden, im Lande Arabien zu sein.

Die ersten Tage im neuen Hause verbrachte ich im Bett, da eine unangenehme Blutvergiftung am rechten Bein, die wahrscheinlich durch den Bi? eines Landblutegels verursacht worden war (die feuchten Gebirgsw?lder wimmeln von diesem ekelhaften Viehzeug) mich am Gehen verhinderte. Der darauf folgenden Langeweile verdanken diese ausf?hrlichen Tagebuchbl?tter ihre Entstehung. Erst am 10.2. war ich wieder soweit gehf?hig, da? ich in den Sawaks bei Boeleleng jagen konnte. - Photographische Aufnahmen von Sawaharbeit, pfl?genden Bantengs und Wasserb?ffeln im wilden Gestr?pp, am Strande versteckte prachtvolle architektonisch interessante Chinesengr?ber.

W?hrend dieser Tage machten wir den Versuch, unser Boot durch den Dampfer "Der Speelman" der Paketfahrtgesellschaft nach Soerabaja schleppen zu lassen; der Versuch mi?gl?ckte. Die Freiburg begann in so be?ngstigender Weise hin und her zu pendeln, da? Deninger, der das Boot nach Soerabaja begleiten wollte,, dem Dampfer das Zeichen zum Stoppen geben mu?te, um ein Ungl?ck zu verhindern. Die Freiburg wurde auf die Reede von Boeleleng zur?ckgebracht; nach 8 Tagen sollte der Schleppversuch wiederholt werden, nachdem einige notwendige Vorkehrungen an der Freiburg getroffen waren (u.a. Verst?rkung des Notsteuers, das beim ersten Schleppversuch sofort gebrochen war). W?hrend dieser 8 Tage m??igen Wartens begann die Malaria bei Deninger, der sie noch immer nicht ganz losgeworden war, einen gef?hrlichen Charakter anzunehmen. Er bekam jeden Tag einen heftigen Fieberanfall, der ihn ungemein schw?chte, und gegen den er sich nicht wehren konnte, da er kein Chinin vertrug. Schlie?lich sank seine Temperatur nicht mehr unter 38,5o; sein Zustand wurde ?u?erst bedenklich; nur schneller Klimawechsel konnte jetzt noch einer Katastrophe vorbeugen. Tauern schaffte ihn nach dem Rasthaus in Gitgit, 3 Stunden von Boeleleng gelegen in pr?chtiger gesunder Gebirgslage mit ganz europ?ischem Klima. Hier erholte sich Deninger verbl?ffend schnell; als ich ihn nach 2 Tagen am 18. Januar (Februar) besuchte, sahen seine H?nde schon wieder ganz rosig aus, und die Leichenfarbe von seinem Gesicht war verschwunden; er sa? auf der Veranda, las und fing Schmetterlinge!

Am 20. war er wieder soweit bei Kr?ften, da? er die Freiburg nach Soerabaja begleiten konnte. Diesmal ging das Schleppen ganz nach Wunsch und mit halber Kraft, 6 Meilen pro Stunde, glitt der Speelman mit unserem Schifflein nach Westen davon.

Voraussichtlich konnte Deninger mit dem geheilten Boot in 14 Tagen wieder eintreffen; diese Zeit wollten wir beide Zur?ckgebliebenen zu einer Reise nach Kintamani, im Osten der Insel benutzen, wovon uns Deninger so viel vorgeschw?rmt hatte. Wir wollten mit dem Aufenthalt dort eine Besteigung des Vulkans Gunung Bator und des h?chsten Berges der Insel, des 3200 m hohen Gunung Agung verbinden.

Am 21. Januar fuhren wir im Wagen bis ans Ende der Fahrstra?e zur Ortschaft Tamblang, vorbei an interessanten Tempeln, die f?r sp?ter eine sch?ne photographische Ausbeute versprachen. In Tamblang nahmen wir Tr?ger und Packpferde, und nun begann auf gutem Weg der Anstieg zur Pa?h?he. Lange Zeit gings durch Urwald, der rechts und links der Stra?e fruchtbaren Kaffeeplantagen hatte weichen m?ssen. Je h?her wir kamen, desto armseliger wurden die D?rfer, unter der schmutzigen Bev?lkerung viel Chinesen und Chinesenmischlinge; die in mehreren dieser Ortschaften aufgerichteten staatlichen Opiumsverkaufspl?tze deuteten auf einen starken Verbrauch dieses teueren Genu?mittels.

In der Monopolisierung des Opiumverkaufs (Opium = malay. madat) liegt eine geschickte Besteuerung des Volkes; auf Bali allein sollen bei etwa 120 Verkaufspl?tzen pro Monat etwa 100 000 Gulden Einkommen, wovon die H?lfte Reingewinn ist! Auf Java ist in neuerer Zeit der Preis des Opiums bedeutend erh?ht worden und betr?gt jetzt etwa das dreifache des Balipreises. Es geschieht dies, um den Opiumgenu? einzuschr?nken, sagt die Regierung. Offenbar von dem gleichen idealen Gesichtspunkt ausgehend richtet dieselbe Regierung auf Inseln, wie Flores und Wetar, Opiumverkaufsstellen ein, auf denen das Laster bis dahin noch unbekannt war.

Die Opiumverkaufspl?tze sind sehr s?uberlich ganz aus Bambus gebaute H?user, die unter der Leitung eines javanischen Mantri stehen. Das Opium wird in verschlossenen Blechtuben verkauft. Es ist erstaunlich, wie selbst ganz arme Leute ihre letzten Sparpfennige hergeben, f?r einen fl?chtigen Opiumrausch. Sie scheuen selbst vor so gro?en Ausgaben wie 1-2 Rijksdaler (4-8 M) nicht zur?ck. Die Opiumtuben werden viel als M?nze verwertet. Chinesische Kulis werden oft f?r geleistete Dienste damit bezahlt. Der Mantri ist verpflichtet, ?ber jeden K?ufer Buch und Statistik zu f?hren, so da? die notorischen Raucher alle bekannt sind. Ein Mantri erz?hlt uns mit Stolz, da? er mehrere solche durch ihre Laster bereits ganz zugrunde gerichtete Leute durch ein von ihm erfundenes Mittel geheilt und entw?hnt hatte, es wundert mich, da? er von der Regierung f?r diese falsche Auffassung seiner Beamtenpflicht noch nicht gema?regelt worden ist.

Der Weg nach Kintamani dehnte sich endlos; er f?hrte, wie die meisten Wege auf Bali, auf einem Kamm, nicht im Tal, da diese sehr tief eingeschnitten und durch sehr dichten Pflanzenwuchs unzug?nglich zu sein pflegen. So ?berwand auch die Stra?e den Gebirgskamm, der die Insel in Nord und S?dbali teilt, nicht in einem Pa?, sondern f?hrte ?ber einen Gipfel, 1650 m hoch. Dort oben liegt ein elendes D?rfchen, Koeta Dalem, die h?chste Ansiedlung auf Bali, nur als Marktplatz von Bedeutung, da hier an gewissen Tagen die H?ndler und Gem?seweiber von Nord und S?d sich einfinden und ihre Waren eintauschen und feilbieten. Wir erreichen diese ?bergangsstelle erst lange nach Einbruch der Dunkelheit; bei etwa 1100 m waren wir aus dem Waldbereich getreten und sahen nun ein uns ganz neues Landschaftsbild: der Gebirgskamm fast v?llig baumlos, war mit Allang-Allang und kurzen Grasmatten bedeckt, hier und da durch gro?e Dornbuschpartien unterbrochen; der Eindruck glich dem einer Landschaft der Voralpen oberhalb der Waldgrenze, die ?hnlichkeit wurde noch vermehrt durch das Gel?ut weidender Kuhherden (Bantengs) mit verschieden abgestimmten Holzglocken, und einzelne alte Kasuarien, die die Stelle der Arven in unserem Gebirge einnahmen. Einbrechender Nebel und Dunkelheit verh?llten uns bald das reizvolle Bild, und nur m?hsam ging es bei Fackelschein vorw?rts. In der Dunkelheit st?rzte ein Pferd und streute seine ganze Last umher, aber gl?cklicherweise gings ohne Schaden ab. Endlich, gegen 9 Uhr, nach einer halben Stunde sanften Abstiegs nach S?den, erreichten wir Kintamani und bald empfing uns der wohlverdiente Schlaf in den weichen warmen Betten des Pasang Grahan (Rasthaus).

Wir wu?ten, da? uns am n?chsten Morgen ein prachtvoller Anblick bevorstehen w?rde und wachten instinktiv kurz vor Sonnenaufgang auf. Als wir die Fensterl?den aufrissen lag vor uns eine imposante Gebirgslandschaft. Gegen den fahlgelben Morgenhimmel zeichneten sich schwarz drei Vulkanpyramiden ab, in gleichm??iger Steigerung bis zur Spitze des Gunung Agung, des h?chsten Berges der Insel (3200 m). Genau im Osten war in weiter Ferne der Rindjani auf Lombok sichtbar, mit 3600 m der h?chste Gipfel des malayischen Archipels. Von der n?chsten Spitze, dem etwa 1600 m hohen Gunung Bator, der in Luftlinie nur wenige Kilometer entfernt war, trennte uns ein fast senkrecht abfallender, etwa 400 m tiefer Graben, der sich rings um diesen Kraterkegel zieht; denn Kintamani liegt auf einem ungeheueren Ringwall, dem Rest des urspr?nglichen, vor langer Zeit eingest?rzten Vulkankegels, an dessen Stelle sich jetzt der weit kleinere Gunung Bator aus der Einbruchsmulde erhoben hat. Von der bedeutenden F?higkeit dieses Vulkans zeugten mehrere gewaltige Lavafl?sse, die zum Teil ganz neuen Datums waren und weite Strecken des Grabens bedeckt hatten (der j?ngste Ausbruch von etwa 1900, hat das Dorf Bator erreicht und einen Teil des sch?nen Tempels zerst?rt, ebenso sind damals fast s?mtliche Fruchtg?rten dieser Ortschaft, die auf l?ngst verwitterter Lava einen bekanntlich sehr fruchtbaren Boden angelegt waren, zerst?rt worden. Zum Teil wird der Graben durch einen gro?en See ausgef?llt, dessen L?ngsdurchmesser etwa 5 km betr?gt. Als Kratersee ist er nat?rlich abflu?los; die Balier glauben, da? durch sein versickerndes Wasser alle Fl?sse Balis gespeist w?rden und haben ihn deshalb f?r sehr heilig erkl?rt. Das Wasser, durch das die Sawah gespeist wird, ist nat?rlich ein ?beraus wichtiges Element; unzeitige D?rre kann die gesamte Reisernte vernichten. Die Pura in Bator, in der die G?tter des Sees verehrt werden, ist daher ein Nationalheiligtum und empf?ngt ihre Opfergaben aus allen Teilen des Landes. - Der See ist sehr fischreich und gew?hrt 4 Fischerd?rfern an seinen Ufern Nahrung; nat?rlich sind die Fische erst durch den Menschen eingesetzt worden.

Wir verbrachten in Kintamani (+ 1300 m) 8 Tage. Wie auf der Nordseite, so ist auch auf der S?dseite der Kamm v?llig baumlos, nur in den Schluchten und T?lern findet sich Wald, vorwiegend lichte Casuarienw?lder mit derselben Fauna, wie ich die auf dem Gipfel des Gunung Bratan fand. Eine Besteigung des Aschenkegels des Gunung Bator von der Westseite bot keinerlei Schwierigkeiten; nur in der N?he der Krater?ffnungen waren die aus zahlreichen Fumarolen ausstr?menden Gase sehr l?stig. Die Stellen, die best?ndig von frisch austretendem Schwefeldampf bestrichen werden, waren von einer niedrigen Moosart bedeckt.

Flora und Fauna des grasbedeckten Gebirgskammes zwischen 1000 und 1650 m zeigte nahe Verwandtschaft mit Gebirgsformen gem??igter Zonen. Aus der Flora erw?hnte ich ein Veilchen (Viola) und eine Glockenblume (Campanula).

Mit vielen B?lgen, Schmetterlingen, belichteten Platten und gef?llten Pflanzenmappen traten wir am 2. M?rz den R?ckmarsch an. Wir blieben noch 3 Tage in Taneblang als G?ste des Dorfoberhauptes (Klian), haupts?chlich ethnographischer Studien halber, wor?ber sp?ter die Rede sein soll, wenn ich die ethnographischen Themen im Zusammenhang behandle.

In Boeleleng angelangt fanden wir einen Brief von Deninger vor, in dem er uns mitteilte, da? die Schleppfahrt ganz nach Wunsch verlaufen sei, die Reparatur aber ziemlich langwierig und umfangreiche werden w?rde (auf der Marinewerft in Soerabaja); er selbst habe seine w?hrend unseres gemeinsamen 3-w?chigen Aufenthalts in Soerabaja in Angriff genommenen pal?ontologischen Untersuchungen in S?dostjava (Feststellung vorterzi?rer fossilf?hrender Sedimente) fortgesetzt. So blieb uns Zeit, die im stillen seit langem geplante Reise nach S?dbali vorzunehmen. Sollten wir doch noch nach den Aussagen aller balikundigen die echte Aturan Bali, die gute Balisitte erst kennenlernen. Die Nachricht, da? am 11. M?rz eine gro?e Leichenverbrennung in Pandang stattfinden werde, trieb uns zu schleunigem Aufbruch.

Wir mu?ten zum zweiten Mal den Weg machen, den wir erst vor wenigen Tagen zur?ckgelegt hatten; die erste Nacht verbrachten wir beim Mantri in Kembangsari, brachen dann fr?h am Morgen auf und marschierten den ganzen Tag ?ber Koeta delem und Kintamani bis gegen 9 Uhr abends, wo wir in einem kleinen D?rfchen am Flusse des Gunung Agung in einem sauberen H?uschen uns zur Ruhe begeben konnten. Die Eingeborenen pflegen auf sauber geflochtenen Bambusmatten zu schlafen, die ?ber eine h?here Bettstelle gelegt werden, ein ziemlich unbequemes Lager f?r denjenigen, der es nicht gew?hnt ist. Wir f?hrten deswegen stets auf derartigen Reisen unsere H?ngematten mit uns, sowie f?r jeden f?r uns zwei wollene Decken, da es nachts im Gebirge empfindlich kalt ist.

Eigenes Geschirr und Besteckt braucht man eigentlich nirgends, denn zu unserem stets erneuten Erstaunen kamen selbst in den abgelegensten Gebirgskampongs Teller, Gl?ser, Messer, L?ffel und Gabel zum Vorschein, so oft uns die Leute bewirteten. Und das tun sie stets sofort, sobald sie sehen, da? man nach einem l?ngeren Marsch sich f?r kurze Zeit in der Ortschaft aufhalten will. Dann kommt mit vielen B?cklingen und allerhand balinesischen Ehrenbezeugungen und dem?tigen Redewendungen der Klian oder sonst ein Vornehmer des Ortes und bittet um die Ehre, uns bewirten zu d?rfen. Wir werden dann auf die Veranda gef?hrt (wenn es das Haus eines Vornehmen ist, die h?ufig nach Aturan blanda, "im holl?ndischen Stil" gebaut sind), schnell werden ein paar St?hle herbeigeholt und es gibt die unvermeidliche "schwarze Fl?ssigkeit", (wie wir sie nannten, um in unserem Gespr?ch nicht verstanden zu werden), Kaffee, der in der Tasse aufgegossen wird und demgem?? sehr stark zu sein pflegt, ohne Milch, denn Milchwirtschaft kennt der Balier nicht. Dazu irgendein Chinesengeb?ck, das aus Singapore importiert wird und mit Reismehl gebackene oder in Kokos?l (Minjak klappa, das allein gebr?uchliche Bratfett) ger?stete Bananenscheiben; beides ?u?erst wohlschmeckende Gerichte. Dann Fr?chte, an denen die Kebons (Fruchtg?rten) so reich sind: Ajeruk, eine kindskopfgro?e ?u?erst saftige und erfrischende Zitrusart (enala sekali!), Mangostin, Duku und Sala. Wohl auch englische Cakes von Huntley und Palmers, die ihren Weg in die wildesten Gegenden finden und die wir selbst bei einem Siamesen im Peraker Gebirgsurwald antrafen, der nur mit Sakais Handel treibt.

Das Gespr?ch mit unseren freundlichen und intelligenten Wirten, die je nach ihrem Range auf einem Stuhl Platz nehmen, (die Mitglieder der drei oberen Kasten) oder auf einer Matte hocken und Sirih oder Tabak kauen, nimmt gew?hnlich bald seine Wendung dahin, da? wir ihnen von den Wunderdingen in Europa, speziell tanah Djerman, erz?hlen. Oft m?ssen wir sie zun?chst dar?ber aufkl?ren, da? Europa und Java nicht identisch sind; dann erfahren sie zu ihrem gro?en Erstaunen und zu ihrer sichtlichen Befriedigung, da? es in Europa viele L?nder gebe, die gr??er und m?chtiger seien als tanah blanda, Holland, da? unser Land z.B. 10 mal gr??er sei (wir sagen nur 10 mal, um nicht den Anschein zu erwecken, als schnitten wir auf)

(Ende des handgeschriebenen Tagebuches)
 


Aus dem 3 Bericht der Expedition:

Da der unweit im S?dosten sich auft?rmende Gunung Agung, mit 3200 m der h?chste Berg der Insel, die gleiche Vegetation trug, wie der Steilabfall des Ringwalles, n?mlich einen lichten Kasuarienwald, so glaubten wir von seiner Besteigung absehen zu k?nnen. Seine Silhouette hob sich bei Sonnenaufgang prachtvoll vom Morgenhimmel ab, wenn der Sonnenball hinter dem Rindjiani, dem h?chstem Berge des indischen Archipels (3600 m) im fernen Osten aufging. Am 29 Februar traten wir den R?ckmarsch an. Wir verbrachten 3 Tage in Tamblang als G?ste des Klian (Dorfoberhaupt), der uns zu Ehren ein Theaterst?ck, das G?tterspiel Parva, auff?hren lie?. Die balinesischen Theaterst?cke sind Opern, bei denen der Gamelan die Ges?nge begleitet.

Die B?hnensprache ist das Kawi, eine uralte Mischsprache aus Sanskrit und Altjavanisch, die vor etwa 600 Jahren beim Eindringen der Hindureligion auf Java entstanden ist. Sie diente und dient noch dichterischen und religi?sen Zwecken, wird aber heute nur noch von wenigen verstanden. Die Frauenrollen werden durch M?nner dargestellt. Die Theaterkleidung unterscheidet sich von der Festkleidung im wesentlichen nur durch eigenartige blumengeschm?ckte Helme. Auftretende Ungeheuer werden durch Masken dargestellt.

Bei unserer R?ckkehr nach Bueleleng fanden wir einen Brief von Deninger vor, indem er uns mitteilte, da? die Reparatur der "Freiburg" noch l?ngere Zeit in Anspruch nehmen w?rde. Somit blieb uns Zeit zu der schon seit langem geplanten Reise nach S?dbali.

Leichenverbrennung

Wir erreichten nach zwei anstrengenden Marschtagen den Ort der Leichenverbrennung in Pendang wenige Stunden vor Beginn der Feierlichkeit. Es besteht auf Bali die Hindusitte, die Leichen zu verbrennen, und zwar geschieht es auf Grund alter Vorschriften drei oder mehr Jahre nach dem Tode. Durch das Verbrennen wird die Seele frei und kann nach Indraloka eingehen, so da? dies ein Freudenfest ist. Es ist mit betr?chtlichen Unkosten verbunden auch in seiner einfachsten Form, so da? ganz arme Leute begraben bleiben. Die Verbrennungsfeierlichkeiten in Pendang waren schon in ziemlich gro?en Stil gehalten, da es sich um den Vater des Pungawa. des Distrikthauptes, und einige vornehme Frauen handelte. Jeder, der wollte, war zum Fest geladen, viele Gamelans wurden gespielt, und in einer besonderen Halle wurde den ganzen Tag Kaffee und Tee gratis ausgeschenkt. Zur Belustigung der G?ste wurde Gambuch, eine Pantomime, aufgef?hrt. Dann kam das Mittagessen, zudem alle geladen waren. Ca. 5000 Menschen wurden in einzelnen Abteilungen nacheinander gespeist. Hunderte von Matten wurden hingelegt und auf jede eine Reissch?ssel mit den n?tigen Zutaten gestellt. Etwa 10 Menschen nahmen auf jeder Matte Platz. Derweilen verrichtete ein Priester (Pandanda) Gebete vor dem wei? ausgeschlagenen Hause, indem die Leichen aufgebahrt waren, umgeben von Opfern und Schmucksachen. Dann wurden die Leichen auf den Wedah gebracht. Es ist dies ein Turm von betr?chtlicher H?he (oft 20 m), der auf einem breiten Bambusgestell steht. Er ist leicht, aber fest gef?gt, so da? er ganz schief stehen kann. In halber H?he ist ein K?mmerchen, in das die Leiche gelegt werden. Dar?ber sind 11 pagodenartig sich verj?ngender D?cher. Der Turm ist wei? mit Goldflittern und Spiegeln. Nunmehr setzt sich der lange Festzug in Bewegung, der zum Festplatz zog und dort den Verbrennungsplatz dreimal umzog. Zuerst kamen zahlreiche Weiber mit zahlreichen Opfern und Weihwasser und Schmuck, dann zwei kleine Wodahs, die nur zum Schmuck dienten. Zum Schlu? kam der gro?e Turm mit den Leichen, bei denen ein W?chter hockte. Unten stand der Pungawa mit seinem Sohn. Ca. 200 Mann trugen den Wadah. Vor ihm her gingen zwei Padandas mit T?pfen voller Kupfergeld und streuten es unter die Menge. Auf halben Wege warfen sich eine Menge M?nner mit offenen Haaren dem Wadah entgegen und versuchten denselben aufzuhalten, so da? er oft zur?ckweicht oder nach rechts und links gedr?ngt wird. Oft kippte er halb um, so da? die Leichen festgehalten werden m?ssen. An der Verbrennungsstelle werden die Leichen heruntergeholt und in eigenartige S?rge gelegt. Diese haben die Gestalt von K?hen; sie sind wei? und aus Holz gemacht. Je nach der Kaste der Toten werden auch andere Tiere verwendet, meist Fabeltiere. Nun begannen langwierige Zeremonien der vielen Priester und Priesterinnen, die die Leichen mit Weihwasser begossen. Erst bei Sonnenuntergang wurde Holz unter den K?hen aufgestapelt und angez?ndet.

Sp?t am Abend, es war etwa Mitternacht, begann eine Theaterauff?hrung bei Lampenbeleuchtung. Das St?ck hie? Tjalon Arang und dauerte bis Morgens um 6 Uhr. Nachdem um die Mittagszeit wieder alle Leute gespeist wurden, bewegte sich ein gro?er Festzug von M?nnern und Frauen nach der Verbrennungsstelle, wo wir jetzt drei Katafalke stehen sehen. Sie sind auch wei? mit Goldflittern und Spiegeln. Auf ihnen liegen die bei der Verbrennung ?brig gebliebenen Knochenreste. Nach einigen Zeremonien wurden die Katafalke zum Flusse getragen und die Asche der Toten in seine Fluten versenkt. Damit war die Feier beendet, von der ein gro?er Teil auch kinematographisch aufgenommen wurde.

Den Vormittag hatten wir zu einem abenteuerlichen Ritt auf schwierigem Gebirgspfad nach Besakih verwendet. Dort ist der eine der 6 heiligsten Balis. Er besteht aus einer sehr gro?en Zahl uralter Pagoden aus Holz und macht einen sehr imposanten Eindruck. Nunmehr verlie?en wir Rondang, um eine Rundtour durch S?dbali zu machen, auf der wir einen gro?en Teil der architektonischen Sch?tze Balis zu sehen bekamen. In diesem reichen Lande reiht sich Ortschaft an Ortschaft, und nur selten f?hrt der Weg durch die Sawahs. ?berall sieht man prachtvolle Tempel, Toro und H?user.

Hahnenkampf

Kurz nach Rondang kamen wir an eine hohe Terrainstufe, von der aus man einen prachtvollen ?berblick hatte; um die Mittagszeit erreichten wir Klungkung und am Abend Gianyar, wo der alte Radja Dewa Mangis regiert. Wir blieben den folgenden Tag in Gianyar, und bewunderten die Tempel und besonders den Palast (Puri) des Radja. Wir besuchten auch den Radja, einen w?rdigen alten Herren, der schon viel in seinem Leben durchgemacht hat. Den folgenden Tag ritten wir nach Blahbatu, wo sich eine sehr sch?ne alte Poera befindet. Um die Mittagszeit trafen wir dann in Ubud ein, wo ein sehr reicher Unterf?rst des Dewa Mangis regiert. Sein Titel ist Tjokorda Gd?. Wir kamen hier in einen gro?en Festtrubel hinein, denn der Tjokorda hatte gerade seinen neuen, unglaublich pr?chtigen Tempel eingeweiht, dessen Erbauung sein Lebenswerk gewesen. Die eigentlichen Festlichkeiten waren schon vorbei und nun wurden noch eine Woche lang Hahnenk?mpfe veranstaltet. Die Hahnenk?mpfe sind der wichtigste Sport der Balier, und wie zu gro?en Pferderennen bei uns waren hier alle Vornehmen von Nah und fern zusammengekommen. Hunderte von Menschen fanden wir an dem ?berdachten Hahnen-Kampfplatz. Auch der Dewa Mangis war da. Wir erhielten hier interessante Einblicke in die an balischen H?fen ?bliche strenge Etikette. Alle Leute waren mit pr?chtigen Seidengew?ndern angetan und trugen wertvolle Krise. Bald fingen die Hahnenk?mpfe an, nachdem die einzelnen H?hne sorgf?ltig gepr?ft und Wetten abgeschlossen wurden. Bei den Wetten werden sehr gro?e Summen umgesetzt. Die K?mpfe selbst spielen sich sehr schnell ab. Die H?hne bekommen scharfe Messerchen an die Sporen gebunden und werden unter allerlei Zeremonien aufeinander losgelassen. Nach der ersten Verwundung werden die H?hne durch Baden erfrischt und der Kampf fortgesetzt, bis der eine Hahn unterlegen ist. Bis zum Tode wird nicht gek?mpft und schwer verwundete H?hne werden geschlachtet.

Kurz nach Einbruch der Dunkelheit wurden die K?mpfe abgebrochen und nun konzentrierte sich das Interesse der Volksmenge auf die zahllosen Spieltische, die in kleinen Buden auf dem Kampfplatz aufgestellt wurden. An vielen wurde um Kopengs (1/6 ct.) an anderen um Ataks (200 Kopeng) als Einheit gespielt und schlie?lich an anderen um Ringits (2,50 fl.). Die ganze Nacht wurde durchgespielt. Unser Gastgeber, der Tjokorda Ubud versah uns ?bereichlich mit Speisen, f?r den Abend Eier, zwei Enten, Reis und eine gebratene Schweinskeule. Am Nachmittag des folgenden Tages fuhren wir nach Denpasar (zu Deutsch: drei Pfeile), wo wir Herrn Gr?ndler, den Begleiter Dr. Elberts auf der Sundaexpedition, kennenlernten, der sich schon ein Jahr in Bali aufgehalten hatte und uns in liebensw?rdiger Weise viel interessantes in Denpasar zeigte.


Der hypnotische Sangian Tanz 

(Aus einem Brief Stresemanns an seine Schwester:)
Mansela (Ceram) 16.Juni 1911.

Liebe Schwester!

Wie habe ich Dir doch so lange nicht geschrieben! Und Du hast immer wieder mit ein paar Zeilen an mich gedacht. Du glaubst gar nicht, wie mich das jedesmal freut, hier im Urwald. Wie w?nschte ich doch, da? Du einmal einen Einblick tun k?nntest in all das Seltsame (uns jetzt so nat?rliche und selbstverst?ndliche!), das uns t?glich umgibt. Aber nichts ist schwerer zu schildern als das Allt?gliche. Und dann reizt mich dieses Ceram so gar nicht. Es gibt hier viele unbekannte V?gel, das ist wahr. Aber alles andere... Meine Gedanken schweifen immer und immer wieder nach Bali zur?ck. Wie oft war ich dort gl?cklich! Gl?cklich wie Kinder es sind, die im and?chtigen Lauschen alle Wunder und Abenteuer aus Tausendundeinernacht sehen und miterleben! Das folgende Erlebnis geh?rt zu denen, an die ich oft zur?ckdenke:

Wir verlassen die schw?le Veranda des kleinen ungem?tlichen Rasthauses und treten hinaus auf die Stra?e. Der Mond scheint hart und tot ?ber die weite Stadt mit ihren ungez?hlten elenden Lehmh?tten, die nur schlecht versteckt sind hinter den Stra?enmauern und dem Wald von Kokospalmen, deren schlanke Wipfel sich rings am hellen Nachthimmel abzeichnen. Weit und breit kein Mensch; die Balier sitzen schon l?ngst in halblautem Gespr?ch um die Feuerst?tten. Nur aus der Kaserne ert?nt noch lautes L?rmen. Rechts jenseits einer kahlen Halde zeigt uns unser Begleiter und F?hrer, ein Deutscher Ethnograph, die drohend aufragenden Tr?mmer des K?nigspalastes, der durch das Bombardement von 1906 zerst?rt wurde. Wo jetzt das Unkraut ?ber zerfallende Steine wuchert, dehnten sich einst die Prunkgeb?ude dieser Hochburg balischer Kunst. Hier und dort st??t wohl der Fu? noch an einen k?stlich geschnitzten S?ulensockel, oder einen Riesenw?chter aus Karangestein, dem die Soldateska den Kopf abgeschlagen hat. -

Jenseits der Br?cke biegen wir in eine schmale Seitengasse ein. Der Schatten der hohen Lehmmauern f?llt schr?g auf unseren Pfad, so da? wir gleichsam tastend vorw?rts gehen m&uJenseits der Br?cke biegen wir in eine schmale Seitengasse ein. Der Schatten der hohen Lehmmauern f?llt schr?g auf unseren Pfad, so da? wir gleichsam tastend vorw?rts gehen m?ssen, um nicht in den allenthalben lauernden L?chern und Gr?ben zu versinken. Man merkt es: in diese Gegend hat sich noch nie ein holl?ndischer Ambtenaar verirrt !

Nach l?ngerem hin und her weist uns Gr?ndler eine schmale T?r; wir folgen ihm in einen Hof, in dem einige schwelende Kerzen schwaches Licht verbreiten. Im Hintergrund sind kniende Frauen damit besch?ftigt, duftende Blumen und allerhand Speisen vor dem Haustempelchen auszubreiten; mit all ihren Gedanken bei dem heiligen Werk, beachten sie unser Eintreten nicht. Die Leute hier, erkl?rt uns Gr?ndler, geh?ren zur S?ngukaste,, deren Leben dem Dienste der G?tter gewidmet ist; obgleich nicht Priester, kann das Familienhaupt doch alle Weihen vornehmen, die sonst nur dem Ida Pedanda vorbehalten sind. Sehen Sie, da kommt der Alte gerade!" Zur Haust?r heraus b?ckt sich eine hohe w?rdige Gestalt, und tritt mit herzlichen Gru?worten auf uns zu. Sein ?u?eres unterscheidet ihn sofort vom gew?hnlichen Balier;

Das ergrauende Haar mit der gro?en roten Blume darin f?llt ihm halblang auf die Schultern herab, den Oberk?rper tr?gt er frei nach Priestersitte. Es hilft uns nichts: Wir m?ssen auf der Matte Platz nehmen und Kaffee schl?rfen, dazu gebratene Bananen und allerhand s??es Backwerk essen, denn so gebietets die Sitte dieses gastfreien Volks.

Unterdessen sind auch die beiden Kinder aus dem Haus gekommen, die heute wie allabendlich der G?ttin zu Ehren tanzen sollen und schmiegen sich z?rtlich, wie kleine M?dchen, an ihren alten Freund Gr?ndler, der sie allerhand Allotria lehrt. Es sind Jungen im Alter von etwa 9 Jahren, mit den h?bschen orientalischen Gesichtern und den weichen Bewegungen, wie sie den Balikindern eigen sind.

"Sie haben wirklich Gl?ck, wendet sich Gr?ndler an uns, ich h?re soeben, da? heute Abend Sangian getanzt wird. Das ist der interessanteste hypnotische Tanz, von dem ich Ihnen schon erz?hlte."

Wir beiden reisten hier in S?dbali in der Tat von Ereignis zu Ereignis. Vor wenigen Tagen noch hatten wir die prunkvolle Leichenverbrennung in Pendang mit angesehen, dann waren wir G?ste des m?chtigen Djokarda Ubud gewesen, der mit der Einweihung seines goldfunkelnden Tempels achtt?gige Festspiele verband. Und hier in Denpasar kamen wir gerade zum Sangian.

Alles ist jetzt mit den Vorbereitungen besch?ftigt.

Die Tanzknaben suchen ihre Goldhelme hervor, wie sie stets zu G?tterdarstellungen gebraucht werden, ein eigenartiger Kopfputz, dessen Form entfernt an altgriechische Motive erinnert, sehr kunstvoll aus vergoldetem Leder gearbeitet. Sie geben sie den Frauen, die sie mit Blumen schm?cken und vor dem Stuhl der Gottheit niederlegen. Einige M?dchen machen sich damit zu schaffen, die Kinder zum Tanze zu putzen; sie erhalten seidengewebte Frauengew?nder, und unter die Ohren werden ihnen die goldenen Ohrpfl?cke gebunden, wie sie die vornehmen Frauen im Ohr tragen; die Fu?kn?chel schm?cken schwere Silberringe. Denn die Kinder sollen als G?ttinnen tanzen.

Eine gro?e Schar von Frauen und M?dchen hat sich unterdessen eingefunden, alle in Festgew?ndern und w?hrend sich der Alte und zwei greise Frauen am Dewastuhl zu schaffen machen, die Opfer mit Weihwasser besprengen und Weihrauch in kleinen Schalen entz?nden, kniet die Schar vor dem Altar nieder, dicht hintereinander gereiht, zu vorderst die beiden Kinder.

Bald herrscht lautlose, feierliche Stille. Eine der Matronen stellt vor jeden Knaben eine glimmende Weihrauchschale, und nach dem auch sie sich niedergelassen hat, heben die Frauen den uralten heiligen Sangiangesang an, dessen Worte, der Kawisprache entstammend, heute nicht mehr verstanden werden. Eine Viertelstunde, vielleicht eine halbe Stunde lang singt der Chor unabl?ssig. Dieselbe melodi?se Weise in raschem Tempo, und die Kinder mit vorgebeugtem Oberk?rper hockend, starren unausgesetzt in die Glut, w?hrend der bet?ubende blaue Dunst sie umf?ngt. "Sehen Sie! Sehen Sie !" fl?stert uns Gr?nder aufgeregt zu, der neben uns in der dunklen Ecke sitzt. Sonderbar! Die Knaben beginnen langsam, kreisende Bewegungen mit Kopf und Oberk?rper auszuf?hren. Nach einer Weile nimmt diese Bewegung rasch an St?rke zu; schlie?lich geht sie in Raserei ?ber. Mit willenlos h?ngendem Kopf und fliegenden Haaren, beschreiben ihre Leiber gro?e Kreise, immer schneller, immer rasender. Ein Wunder, da? sie nicht mit dem Gesicht in das gl?hende Harz geraten. Ihre Augen sind fast geschlossen, ihr Gesicht hat den Ausdruck von Tr?umenden angenommen. Pl?tzlich ein j?her Ruck: mit furchtbarer Gewalt wirft sich das Kind, dessen kreisende Bewegung st?rker war, r?ckw?rts und wird mit Not von der hinter ihm hockenden Frau aufgefangen. Andere Frauen kommen dazu und bem?hen sich um den Knaben, dessen lebloser K?rper jetzt im Starrkrampf verharrt, mit gro?er Anstrengung versuchen sie, seine Knie zu strecken, dann tragen sie ihn beiseite. Mittlerweile haben auch Katuts ekstatische Bewegungen ihren H?hepunkt erreicht; und infolge der Unachtsamkeit der Frau, die ihn auffangen soll, schl?gt pl?tzlich sein Kopf mit gro?er Gewalt hinterr?cks zu Boden. Gr?ndler ist sehr erregt, denn Ketul ist sein kleiner Freund, aber die Frauen zeigen nicht die geringste Spur von Mitleid oder Besorgnis.

Der Gesang ist jetzt verstummt. Die alte Frau nimmt vom Dewastuhl eine Schale mit Weihwasser, worin heilige Melatiblumen liegen und benetzt damit die Lippen der Schl?fer, und alsbald l?st sich die Starre der K?rper und langsam kehrt das Leben in die Glieder zur?ck. Wir sehen jetzt, wie die Alte leise Fragen an die Kinder richtet, und wir nach langem Warten deren Lippen eine Antwort zur?ck lispeln. Es mu? das etwas bedeutsames gewesen sein, denn alsbald erheben sich alle und begeben sich, voran die beiden Frauen mit den schlummernden Knaben, hin?ber jenseits des Weges zum Tanzplatz.

Was haben die Kinder gesagt? fragen wir den alten Vater, der mit uns zur?ckgeblieben ist. "Sie nannten den Namen der G?ttin, die jetzt von ihrem K?rper Besitz genommen hat. Es sind zwei G?ttinnen, die sehr gut tanzen!" "Die G?ttinnen, deren es viele gibt, tanzen nicht gleich gut", bemerkt uns Gr?ndler dazu; "und je nach dem Namen, den die Knaben nennen, verm?gen die Leute vorauszusagen, wie sie tanzen werden. Mir versicherten die Balier, da? die Kinder zuweilen noch niemals den Namen der G?ttin, den sie im Tanzzustand nennen, h?tten aussprechen h?ren."

Nach allgemeiner ?berzeugung sind es nicht die Kinder, die jetzt tanzen und reden werden, nein, mit dem Augenblick, wo das Bewu?tsein der Wirklichkeit von ihnen geschwunden ist, ist es die zu den Menschen herabgestiegene G?ttin selbst, die sich den Gl?ubigen mitteilt. Heilig ist jetzt die k?rperliche H?lle, in der sie wandelt, heiligend ihre Ber?hrung. "Kein wildes Tier wird jetzt den Kinder ein Leid zuf?gen, kein Tiger, kein Hund, kein Affe" erkl?rt uns der Alte. "Der Mensch, der sie ungl?ubig anr?hrt, wird sterben!"

Auch wir begeben uns jetzt zum Tanzplatz hin?ber. Es ist ein gro?er von einem Spitzdach ?berdeckter Plan. Die vier Seiten sind schon von Menschen dicht besetzt, auf der einen sitzt die Schar der blumengeschm?ckten Frauen, mit den noch immer schlafenden Kindern, auf der anderen ist ein Gamelan aufgestellt, dahinter hockt ein starker M?nnerchor, der Gamelan muhut. Die beiden ?brigen Seiten sind von den Zuschauern eingenommen, darunter viele kleine possierliche Buben, deren ganze Kleidung in einem Amulett oder einer langen Stirnlocke besteht. F?r uns drei Aians hat man rasch aus Kisten eine Sitzgelegenheit geschaffen, in der n?he einer zylinderlosen ru?enden Lampe, die den Raum in reizvollem Halbdunkel l??t.

Es beginnen die dumpfschwingenden Mittelt?ne des Gamelan, die Alte richtet die Kinder auf und f?hrt abermals das geweihte Wasser an ihren Mund. und w?hrend gleicherzeit das Leben in ihre Glieder zur?ckstr?mt, tun sie einen langen, langen Zug. Dann richten sie sich pl?tzlich, noch schlaftrunken, auf zum ersten Schritt. Da setzt der Gamelan laut, hinrei?end ein, und der Frauenchor hebt an, eine der heiligen Weisen anzustimmen.

Und nun beginnt die G?ttin zu tanzen! Leicht, zierlich, kokett ist ihr Tanz, dann wieder feurig, leidenschaftlich, verzweifelt wild; und abermals anmutig, schmeichelnd. Sie tanzen unaufh?rlich, unerm?dlich wohl eine Stunde lang.

Wir sind fassungslos, ?berw?ltigt von all der Sch?nheit. "Schauen Sie nur Katut an, fl?stert Gr?ndler mir zu, wie wundervoll sind seine Bewegungen! Ich sah ihn neulich tanzen im wachen Zustand (denn die Kinder tanzen jeden Abend, aber nur neunmal im Monat ist Sangian), da war alles bei ihm so hart und ungelenk, denn er hat erst k?rzlich angefangen, tanzen zu lernen. Mir ist auch erz?hlt worden, da? Kinder Sangian tanzen, die noch niemals haben tanzen sehen. Beobachten Sie, wie beide Kinder ganz die gleichen Bewegungen ausf?hren, obgleich ihre Augen geschlossen sind!"

Pl?tzlich werden die Kl?nge des Gamelan schw?cher, der Frauenchor beginnt zu verstummen. Da bleiben die T?nzer wie angewurzelt stehen, der F?cher entf?llt ihrer Hand, und leblos sinken sie in die Arme der herzueilenden M?dchen. Doch die Pause w?hrt nicht lange: der Chor beginnt eine neue Melodie anzustimmen, und alsbald kehrt auch das Leben bei den Kindern zur?ck. Sie tanzen weiter, die ganze Nacht hindurch. Tauerns Uhr zeigt auf 12.

Da naht sich ein langer Zug: M?dchen mit silbernen Sch?sseln und Tellern. Das sind die Opfergaben, die sie vorhin vor dem Dewastuhl sahen, erkl?rt uns Gr?ndler, "Jetzt wird der Tanz gleich enden." Wieder tritt eine Pause ein, und ein Trunk aus der Schale des geweihten Wassers belebt die Knaben so weit, da? sie die Augen halb aufschlagen, mit ausdruckslosem Blick. "Sehen Sie, jetzt tanzen die Kinder mit den Opfergaben." - "Und in den kleinen gr?nen Kokosn?ssen, die ihnen die Frau nun in die Hand gibt, befindet sich das Weihwasser."

"Dewa aju! Dewa aju!" ert?nt da pl?tzlich rings ein begehrendes Rufen aus der Menge, und wir sehen, wie die Kinder ihre Finger in das Weihwasser tauchen und im raschen Vorbeigehen die K?pfe der bittenden Menge damit benetzen! "Dewa aju" (Frau G?ttin) ruft jetzt auch Gr?ndler neben mir, und ich gewahre mit seltsamem Schauer, wie Keb?t sich mechanisch uns n?hert, die Augen ausdruckslos auf uns gerichtet, die Z?ge starr; alle Kindliche ist aus seinem Gesicht gewichen, und unwillk?rlich zucke ich nerv?s zusammen, wie auch mich der heilige Tropfen trifft, den die kleine Hand schleudert, mir ist, als m?sse er gl?hend auf meiner Haut brennen, der ich hier neugierig sitze mit frechem ungl?ubigem Sinn. Ich erinnere mich des gleichen l?hmenden Gef?hls, als ich, bei der Konfirmation, den Kelch nahm.

Noch immer ungl?ubig- gl?ubig den Kopf gebeugt, bemerke ich, wie Gr?ndler seine H?nde zur Schale formt, und wie das Kind sie ihm mit dem duftenden Wasser f?llt. ?berall erblicke ich jetzt begehrend ausgestreckte H?nde, sehe, wie die Leute von dem Wasser trinken und Gesicht und Haare damit netzen. Da rufe auch ich die G?ttin, halblaut, zaghaft - ist es Neugier ? - und sie naht und f?llt auch mir die H?nde, und ich schl?rfe das ambrosische Wasser, das sonderbar nach dem Duft der heiligen Melati schmeckt; mir ist, als st?nde die G?ttin wahrhaft vor mir, und ich wage die Augen nicht zu erheben.

Es ist das Wasser der Heiligung, der Reinigung von irdischen Makeln, das hier von unschuldigen Kinderh?nden, ja von der allen im Tanze offenbar wordenen G?ttin selbst gespendet wird. Wir haben im Christenkult nichts, was sich dem an eindringlicher Kraft messen k?nnte. Im Vergleich dazu verbla?t meinem Gef?hl nach, auch die Weihe des Abendmahls.

Kommen Sie, das Fest ist zu Ende!" Es war Gr?ndlers Stimme, die mich aus meinem befangenen Sinnen aufschreckte. Wirklich der Festplatz war leer, der Zug hatte sich in den kleinen Hof zur?ckbegeben, wo die Feier ihren Anfang genommen hatte. "Sie haben heute sehr zeitig aufgeh?rt zu tanzen." ich entsinne mich eines Festes, wo der Gamelan durch das lange Wachen m?de geworden, gegen 1 Uhr das Fest hatte abbrechen wollen; da begann eines der Kinder bitterlich zu weinen, und nach dem Grunde gefragt, antwortete es schluchzend, die G?ttin begehre noch 2 Stunden zu tanzen; es half nichts, der Gamelan, der schon nach Hause gegangen war, mu?te zur?ckgeholt und die Feier fortgesetzt werden."

Im Hofe kniet die Schar der Frauen wieder, wie ehedem, und es geschieht etwas, was mir von all den Erlebnissen dieses Abends am unverst?ndlichsten erschien: um die Kinder, die jetzt wieder leblos im Arm der Frauen ruhen, aus ihrem hypnotischen Zustand in die Wirklichkeit zur?ckzurufen, findet derselbe Vorgang statt, der sie vordem suggerierte: wieder werden glimmende Weihrauchschalen vor ihnen aufgestellt, wieder stimmt der Frauenchor den Sangiangesang an, und allm?hlich aus den Schlaf sich emporrichtend, fangen die Kinder wieder an, langsam, dann schneller und schneller die kreisenden Bewegungen des K?rpers auszuf?hren. Jetzt mu? der entscheidende j?he Ruck erfolgen: Da, pl?tzlich erhebt sich der ein, wendet sich um und st?rzt mit geschlossenen Augen unter den Chor. Alle fl?chtet hastig beiseite - nur ein M?dchen von 12 Jahren bleibt wie gebannt sitzen, furchtbare Angst malt sich in seinen Z?gen; und wie der vorw?rts hastende Knabe es ber?hrt, bricht es in lautes banges Weinen aus und tut einige Schritte, um dann, gleich dem Knaben, steif umzusinken.

"Was ist geschehen?" frage ich fassungslos den Alten, der sich wieder zu uns gesellt hat. Es hat sich alles mit so gro?er Schnelligkeit abgespielt, da? ich den Vorgang kaum habe folgen k?nnen. Der erkl?rt mir mit gro?er N?chternheit, da? durch die Ber?hrung die G?ttin nun auch vom K?rper des M?dchens Besitz genommen h?tte. Keiner von den Baliern verr?t Besorgnis oder Aufregung; als handle es sich um einen selbstverst?ndlichen Vorgang, werden die drei schlafenden Kinder wieder vor dem Dewastuhl niedergelegt, der Sang und die Kreisbewegungen setzen von neuem ein, und schlie?lich erwacht, mit gewaltigem Ruck, ein Kind nach dem anderen. Ohne das geringste Anzeichen von Verwunderung oder M?digkeit erheben sie sich und mischen sich im Hintergrund unter die anderen. Katut begr??t nun mit seinen blanken verwunderten Augen und seinem Kinderlachen: tabek, tuan, sudah lama disimi? (Guten Abend, Herr, bist Du schon lange hier?). Er wei? nichts von alledem, was vorhin geschehen, nur da? die G?ttin in ihm gewesen ist, und w?hrenddessen seine Seele fern, fern geweilt hat.

Schweigend kehren wir heim: der Mond steht schon tief im Westen. Unter dem gro?en Waginibaum am Marktplatz reichen wir uns die H?nde zum Abschied. --

(Ende des Briefes an die Schwester)
 
 

Boeleleng, 21. M?rz 1911

Liebe Eltern!

Jetzt sind wir schon 7 Monate von Hause fort, und noch immer nicht in den Molukken. Das klingt sehr trostlos, und ist es auch f?r Deninger, der sein Arbeitsfeld nur auf den Molukken findet; f?r mich aber sind die 2 1/2 Monate, die wir bisher auf Bali verbracht haben, mindestens ebenso interessant und ergebnisreich gewesen, als sie in den Molukken h?tten sein k?nnen.

Gestern abend sind wir (Tauern und ich; Deninger ist mit dem Motorboot vor 4 Wochen nach Soerabaia zur Werft gefahren) von einer vierzehnt?gigen Reise durch S?dbali zur?ckgekehrt. Es war haupts?chlich eine ethnographische Studienreise, wir kamen von Volksfest zu Volksfest, unsere Aufnahmen werden Euch sp?ter einiges von der hiesigen Kunst und dem Volksleben zeigen k?nnen (wir haben gegen 40 Dutzend Aufnahmen gemacht). Ich habe Leute und Land sehr lieb gewonnen, f?hle mich schon ganz heimisch unter den Inl?ndern, und beneide fast einen deutschen Naturwissenschaftler, den wir in S?dbali kennen lernten, welcher nun schon ?ber 2 Jahre auf der Insel sich aufh?lt, Kunstgegenst?nde sammelt und f?r ihre Erhaltung sorgt und mit den Baliern wie ein Balier verkehrt.

Durch seine Hilfe gelang es uns, Volksfesten beizuwohnen, die kein Europ?er gesehen hat, wie das Tanzen hypnotisierter Kinder nach uralten heiligen Melodien, die von einem Frauenchor oder M?nnerchor gesunden werden. Die Hypnose (Autosuggestion) spielt bei den religi?sen Festen der Balier eine gro?e Rolle.

Auch mit den zoologischen Resultaten bin ich zufrieden. Ich sammelte u.a. 95 Vogelarten in etwa 230 Exemplaren, bei weitem die vollst?ndigste Balisammlung, die bis jetzt gemacht wurde. Falls Deninger morgen noch nicht zur?ckkehrt, werde ich noch nach Westbali fahren; es gibt dort noch viele Tiger, und ich will versuchen, einen zu schie?en.

Gesundheitlich geht es mir ausgezeichnet, und bei dem guten Essen auf Bali bin ich ordentlich dick geworden. Von Malaria habe ich schon lange nichts mehr gemerkt.

Ich habe nun schon sehr lange keine Briefe mehr bekommen; sie sind wohl alle nach Amboina gegangen; der letzte Brief von Hause ist 22.11.10 datiert. Also bitte, alles nach Soerabaia, Deutsches Konsulat adressieren.

In der Hoffnung, da? es Euch allen ebenso gut geht wir mir, gr??t Euch tausendmal

Euer Erwin
 

Boeleleng, 1. April 1911

Liebe Eltern !

Gestern Abend bin ich von meiner achtt?gigen Tour nach Westbali zur?ckgekehrt. Ich wohnte w?hrend dieser Zeit in einer neuen Ansiedlung mitten im Urwald, einige unternehmende Buginesen, Leute von Celebes, sind dort besch?ftigt, den Wald zu roden und Kokospalmen und Bananen zu pflanzen. Ich wohnte mit meinen Leuten in einem richtigen Celebes-Pfahlhaus, auf 4 etwa 3 m hohen Beinen; eine steile Leiter f?hrt zur kleinen T?r fensterlosen H?tte; durch die aus Palmbl?ttern geflochtenen W?nde f?llt genug Licht, um darin lesen und arbeiten zu k?nnen. Der Boden besteht aus einer von gespaltenen Bambus hergestellten Matte; die Abf?lle l??t man ganz einfach durch die Spalten des Bodens fallen, wo sie von den st?ndig wartenden Hunden und H?hnern weiterbef?rdert werden. Die W?lder dort wimmeln von allerlei Getier, und meine Sammlung hat betr?chtlichen Zuwachs erhalten. Die Bali-Vorgelsammlung umfa?t bisher 117 Arten in etwa 300 Exemplaren. Einen Tiger habe ich leider nicht erbeutet; ich habe vergeblich eine Nacht auf ihn angesessen, es w?re auch zu dunkel gewesen, um einen sicheren Schu? anzubringen und so mu?te ich denn mit meiner Ziege betr?bt wieder heimziehen und mich mit dem imposanten Anblick von Tigerf?hrten begn?gen. Tauern war w?hrend dieser Zeit in Boeleleng geblieben, um weiteres photographisches Material zu sammeln.

Wo Deninger augenblicklich sich herumtreibt, wei? der Teufel. Wir erhielten ein Telegramm, da? er vor 8 Tagen von Soerabaja mit der Freiburg abgefahren sei. Vermutlich hat er wieder eine Motorpanne bekommen und saust mit den bekannten geschwellten Segeln auf dem Ozean herum. Aber Grund zur ?ngstlichkeit liegt nicht vor. Wir kennen ja solche Situationen zur Gen?ge.

Mein Natrium-arsenicosum ist zur H?lfte verbraucht; ich bitte Vater um eine zweite B?chse von der Gr??e der ersten. Meine 4 Paar Molukken Stiefel sehen erb?rmlich aus, die Sohlen sind nur noch in Spuren nachweisbar. Bitte schickt mir sofort meine schweren Bergstiefel und la?t mir ein zweites Paar anfertigen. Ich habe von Singapore aus bei Grundig 1000 Teschinpatronen 7 mm mit Schrot 12 bestellt, und die Sendung nach Ambon dirigieren lassen, bitte erkundigt Euch, ob sie abgegangen ist; andernfalls sorgt bitte f?r sofortige Sendung, und zwar wie alle ?brigen Postsachen nach Soerabaja, Deutsches Konsulat.

Ich befinde mich ?u?erst wohl und gr??e Euch alle tausendmal

Euer Erwin

Inzwischen war also die "Freiburg" wieder seet?chtig geworden, und mit vier Mann trat Deninger die Fahrt nach Bali an. Die schw?chere Schraube bew?hrte sich sehr, aber nun arbeitete der Motor so stark, da? die N?hte des Bootes sich lockerten und das Schiff mitten in der Stra?e von Madura leck wurde. Es mu?te daher der Motor abgestellt werden und nur mit gro?er M?he gelang es, das Schiff ?ber Wasser zu halten. So sahen wir uns denn wieder in unseren Hoffnungen get?uscht und die Freiburg mu?te wieder nach Soerabaja zur?ck. Nun liegt sie dort in der Marinewerft und wird hoffentlich bald einen K?ufer finden, denn wir konnten nicht mehr auf die Fertigstellung des Bootes warten.

So ist ein Unternehmen, auf das wir gro?e Hoffnungen gesetzt hatten, gescheitert, und zwar, wie sich nun nachtr?glich herausgestellt hat, durch die liederliche Arbeit des Bootsbauers in Amsterdam. Ungen?gende Versteifung und Vernietung, schlechte Fundierung des Motors, das sind die tieferen aller der Sch?den gewesen, die uns unerh?rte M?he, Zeitverlust und Kosten verursacht haben. Das sind aber Dinge, die wir nicht erwarten konnten, da wir die Besorgung des Schiffes dem Soerabajaschen Maschinenhandel ?bertragen hatten. Der Bolinger Motor hat trotz allem sehr gut ausgehalten, wie wir ?berhaupt nur aufs Tiefste bedauern k?nnen, da? eine mangelhafte Ausf?hrung uns unseres besten Hilfsmittels beraubt hat.

ENDE DER LESEPROBE